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24 Stunden im Leben einer Reisenden

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  • Beitrags-Kategorie:Rucksackleben

Jetzt bin ich bereits einen Monat unterwegs und dieses kleine Jubiläum nehme ich zum Anlass, eine neue Beitragskategorie ins Leben zu rufen. Immer wenn ihr ab jetzt ein Foto mit blauem Rahmen seht, geht es in dem Bericht nicht um das aktuelle Tagesgeschehen sondern um das Drumherum des Reisealltags. Ihr findet die Berichte dann auch gesammelt unter dem Reiter „Rucksackleben“. Wenn euch sowas nicht interessiert, dann einfach die „blauen“ Artikel überspringen.

Wie sieht er also aus, so ein klassischer Tag im Leben einer Rucksackreisenden? Ich bin zwar alle paar Tage an einem neuen Ort, viele Dinge sind aber überall gleich.

Das große Wecken

Wer in Sechs, Acht- oder Zehnbettzimmern schläft, der braucht keinen Wecker, denn er hat ja Mitbewohner. Die sorgen schon dafür, dass man nicht in Gefahr gerät, auszuschlafen. Zum Beispiel indem sie Flüge buchen, die am frühen Morgen starten. Der Koffer wird gerne mitten in der Nacht gepackt. Je mehr Plastiktüten verstaut werden müssen, desto besser. 

Kurze Zeit später erwachen die Frühaufsteher, die ihre Lebensweise gerne prophetengleich auch anderen vermitteln wollen. Deshalb starten sie häufig stampfend und  – wenn man Glück hat – türeknallend in den Tag. Wenn man Pech hat, lassen sie die Tür zum Schlafsaal gleich offen stehen und als Längerschlafende kommt man so in den Genuss, auch den morgendlichen Aktivitäten der anderen Frühaufsteher im Hostel zu lauschen.

Eine besonders kreative Weckmethode fand meine Bettnachbarin in Kaunas. Sie begann ihren Tag, indem sie ihren Körper einen Meter neben mir mit einer halben Flasche Eau de Parfum erfrischte. Sie stellte auf diese Weise sicher, dass auch ich keinesfalls verschlafe, denn ein brennendes Stechen in meiner Nase ließ mich jäh aufrecht im Bett sitzen.

Die Dusche: Taktieren und Improvisieren

Ist an ein Weiterschlafen nicht mehr zu denken, gilt es, sich mental auf die zwei größten Herausforderungen des Tages vorzubereiten. Erstens, trotz bestehender Müdigkeit elegant und athletisch aus dem oberen Doppelstockbett klettern (Man bekommt immer das obere Bett. Immer). Zweitens, eine unbesetzte Dusche finden. Als Faustregel gilt: Hostelduschen sind zwischen 6 Uhr morgens und 12 Uhr mittags dauerbelegt. 

Auch in Riga hatte ich natürlich das obere Bett

Um die Chancen auf eine gelungene Morgenhygiene zu erhöhen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Quantität und Qualität der vorhandenen Örtlichkeiten sollten frühzeitig genauestens analysiert werden. Mit dieser Methode entging mir zum Beispiel in Warschau nicht, dass sich zwar in den ersten beiden Etagen des Hostels 349 Leute zwei murklige Duschen teilen mussten, im dritten Stock jedoch ein Duschraum von der Größe einer Waschstraße von den meisten unentdeckt geblieben war.

Hat jeder Schlafsaal ein privates Bad, hilft häufig nur schnelles Reaktionsvermögen. Sprechen die Mitglieder einer sechsköpfigen, irischen Reisegruppe, die im selben Zimmer übernachtet, untereinander eine Duschreihenfolge ab, muss man im Moment der Staffelstabübergabe flink wie ein Wiesel ins Bad sprinten. Als Außenstehende ist man keiner irischen Duschreihenfolge verpflichtet.

Die entspannteste Methode, eine Dusche von innen zu sehen, ist aber die Randzeit. Früher Nachmittag oder nach Mitternacht? Perfekt. In Hostels mit besonders miesem Dusche-Menschen-Verhältnis ist diese Methode auf jeden Fall vorzuziehen.

Nicht bloß eine Duschkabine, sondern ein komplettes Badezimmer ganz für mich alleine - Luxus in Budapest

Wo geht's hier zum Buffet?

Nach der erfrischenden Dusche geht es voll freudiger Erwartung in den Speisesaal. Quatsch. Für 15 Euro die Nacht gibt es kein Buffet. Jedenfalls kein kostenloses. Die meisten Hostels bieten gegen vier bis fünf Euro Aufpreis Frühstück an. Das lohnt sich aber meistens nicht: Toastbrot, ein bisschen Käse, ein bisschen Wurst und Obst. 

In Riga gab es kostenloses Waffelfrühstück. Und in Kaunas bekam man 20 Prozent Rabatt in der benachbarten Bäckerei.

Abgesehen von diesen Ausnahmen fahre ich bislang am besten damit, mir im Supermarkt Brot oder Cornflakes selbst zu kaufen.

Wo bin ich überhaupt?

Sind die morgendlichen Herausforderungen bestanden, folgt der schönste Teil des Tages: Es geht auf Entdeckungstour. Bevor es losgehen kann, müssen zwei grundlegende Fragen beantwortet werden: Wo befinde ich mich gerade? (Bei ständig wechselndem Ort passiert es schneller als man denkt, dass kurzfristige Orientierungslosigkeit einsetzt). Und natürlich: Was kann man hier anschauen?

Eine Herangehensweise hat sich bislang bewährt: 1. Tag: geführte Tour plus Altstadt. 2. Tag: weitere interessante Punkte in der Stadt abklappern. 3. Tag: Ausflugsziel in der Nähe der Stadt. Nicht immer, aber oft, habe ich das eingehalten.

Der richtige Zug ist gefunden, der Ausflug kann beginnen (Slowakei)

Was ich nicht mache: Von morgens bis abends von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit rennen, wie ich das tendenziell in einem normalen Urlaub mache. Denn erstens gibt es tatsächlich das Phänomen Reiseburnout und zweitens habe ich auch noch anderes zu tun.

Schon wieder nichts anzuziehen

Erledigungen nehmen deutlich mehr Platz im Tagesprogramm ein als in einem normalen Urlaub. Da wäre natürlich zum einen das große Thema Nahrungsaufnahme: Wo ist der nächste Supermarkt? Was koche ich? Wieviel brauche ich, damit es genau vier Tage reicht und ich nichts wegschmeißen muss? Wann wird endlich ein Platz in der Küche frei, damit ich das ganze Zeug auch zubereiten kann? Oder vielleicht doch besser gleich ein Restaurant? Wo ist hier ein günstiges Restaurant? 

 

Mit etwas Glück findet sich ein Kochplatz in der oft trubeligen Hostelküche

Wäsche wasche ich etwa einmal die Woche. Je nach Hostel bekommt man einen Schlüssel für den Waschraum, gibt es einen Trockner, gibt es keinen Trockner, muss man seine Wäsche schön sichtbar im Gemeinschaftsraum aufhängen, bezahlt man ein bisschen für einen Wäscheservice, bezahlt man Unsummen für einen Wäscheservice.

Mit Abstand am meisten Zeit geht allerdings für die Organisation der eigentlichen Reise drauf. In Lipton Miraculix habe ich mich abends am Computer stundenlang durch slowakische Busfahrpläne und Wanderkarten gekämpft. In Prag saß ich einen halben Tag fest, weil ich mit einem Busunternehmen über Gepäckgrößen verhandelt habe. Und gefühlt müssen jeden Tag vier Hostels gebucht werden. 

Der Abend: So eine Art Freizeit

Nach der harten Arbeit des Tages kann sich die Reisende guten Gewissens eine Cola gönnen und den Aufenthaltsraum des Hostels aufsuchen. Wenn sie Glück hat, findet sich ein gemütliches Plätzchen auf einer ebenso gemütlichen Couch (Kaunas). Wenn sie Pech hat, ist der Aufenthaltsraum entweder völlig überfüllt (Budapest) oder völlig verwaist (Tallinn).

Im WG-Hostel in Kaunas war das Wohnzimmer besonders einladend

Doch man ist im Grunde genügsam: eine Steckdose und kostenloses WLAN, mehr braucht es nicht. Dann werden Fotos sortiert und gnadenlos bearbeitet. Der Neid der Daheimgebliebenen soll ins Unermessliche steigen. 

Sind die Hostelbewohner besonders angenehm, klingt der Abend mit lustigen Gesprächen aus (Riga). Sind 100 Prozent der Menschen seltsam (Bratislava), bleibe ich eben für mich.

Im Aufenthaltsraum in Tallinn ist tote Hose

Ab ins Bett

Schlägt die Uhr Mitternacht (oder 1 oder 2), wird es Zeit, langsam das Bett aufzusuchen (Man bekommt immer das obere Bett. Immer). Geht man nach 11 Uhr ins Bett, gilt man in der Welt der Backpacker als Nachteule. Die Frühaufsteher und Nachtflieger haben ihren ersten Schlafzyklus schon hinter sich.

Als Nachteule bin ich mir meiner Verantwortung bewusst. Ich lege schon am Tage Schlafanzug, Handtuch und Wachtasche griffbereit aufs Bett, krame bereits im Flur Wasserflasche und Ohropax aus dem Rucksack und klettere geräuschlos und katzengleich ins Bett. Dann schlafe ich selig drei bis vier Stunden, bis ich von sechs kofferpackenden Schwedinnen (Prag) oder dem Schlagen einer Tür (überall und immer) sanft geweckt werde. Der neue Tag kann beginnen.

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Andrea

    Anne, es freut mich seeehr zu lesen, was für eine rücksichtsvolle Mit-Schläferin Du bist. Solch ein Engele (jedenfalls im Schalfsaal 😉 ) wünsche ich mir auch e mol! … und DIR natürlich für jede weitere Nacht! 🙂

    1. Anne

      Ich hätte mich selbst auch gerne als Mit-Schläferin 😀

  2. Mama

    Anne das war super amüsant. Ich werde niemals die blaugerahmten Fotos überspringen.

    1. Anne

      Das freut mich sehr. Ich hoffe, ich kann das Niveau halten 😀

  3. Oma & Opa

    Heute ist Dein Resümee ein literarisches Feuerwerk. Haben herzlich gelacht. Ja, wenn einer eine Reise macht, dann kann er viel erzählen. Und diese 4 Wochen sind immer noch erst der Anfang. Das Abenteuer kommt erst noch wenn es heißt,
    von Jarotschin nach Krotoschin Umsteigen von breite Schien auf schmale Schien. Oder die Weiterreise nur noch mit Kamel oder Esel möglich ist. Aber die Herbergen werden dann vielleicht ruhiger. In der Jurte kann man schlecht mit den Türen schlagen. Auf alle Fälle weiter tolle Erlebnisse und rücksichtsvolle Mitmenschen auf Deiner Reise und … wir bleiben gespannt und neugierig

    1. Anne

      Das ist wohl wahr mit der Jurte. Ich glaube, ich werde auf jeden Fall versuchen, demnächst in einer Jurte unterzukommen 😀

  4. Rebekka

    Oh ja, ganz viel mehr von diesen „Hinter-den-Kulissen“-Storys. In zwei Monaten ist dann aber auch die erste FAQ-Story fällig… 😉 Weißt du was mich mega freut, dass aus all deinen Berichten die Reisefreude spricht und es zumindest nach den ersten 4 Wochen so klingt, als wäre es die absolut richtige Entscheidung gewesen!

    1. Anne

      Das freut mich, dass dir die Kategorie gefällt:) Ich werde in unregelmäßigen Abständen auf jeden Fall weiter solche Hintergrundberichte verfassen. Und ja, nach dem ersten Monat fühlt es sich noch immer wie die richtige Entscheidung an. Wollen wir hoffen, dass es so bleibt.

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