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Gabrielle

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  • Beitrags-Kategorie:Ozeanien

Gabrielle muss irgendwann in der Nacht gekommen sein. Als ich am Sonntagmorgen aufstand, hatte sie die Bay of Islands jedenfalls schon fest im Griff. 

Zum ersten Mal hatte ich am Freitag von Gabrielle gehört: Ein tropischer Zyklon, der da auf Neuseeland zukommt. Und das nur kurze Zeit nach historischem Unwetter und Fluten in und um Auckland. 

Auch bei Gabrielle sprachen die Prognosen wieder von historischen Ausmaßen. Von nicht essentiellen Reisen werde abgeraten, man solle sich Wasser- und Essensvorräte anlegen. Das erinnerte mich ja alles schon wieder stark an meinen Coronalockdown in Auckland 2020. 

Am Sonntagmorgen war der Zyklon dann also da. Ich war ja im hohen Norden von Neuseeland, wir waren mit die ersten, die Gabrielle erlebten. 

Es goss den ganzen Tag wie aus Eimern und der Regen bewegte sich fast parallel zum Boden, weil der Wind so stark blies. Ich war ein paar Mal kurz draußen, um nach dem Rechten zu sehen. Ich habe auch eine kurze Sequenz gefilmt, wie das Wasser am Fähranleger hochkam, hatte aber Angst, dass mir jede Sekunde mein Handy aus der Hand weht.

Als die Flut kam (also die Flut nach der Ebbe) kam das Wasser auch zeitweise auf die Straße, die kurz mal gesperrt wurde.

Am Nachmittag kämpften Ilka und ich uns einen Kilometer zum nächsten Supermarkt durch. Der neben unserem Hostel hatte aufgrund des Unwetters leider geschlossen. Trotz Regenklamotten war ich nach der Rückkehr doch recht durchnässt.

Weil nicht abzusehen war, wie lange das Unwetter anhalten würde, cancelte ich am Sonntag auch mein nächstes Reiseziel. Ich wollte eigentlich am Montag noch etwas weiter in den Norden nach Ahipara. Aber bei dem Wetter wollte ich nicht im Bus unterwegs sein und verlängerte deshalb zur Sicherheit gleich zwei Nächte in meinem Hostel in Paihia. 

Dadurch verschoben sich natürlich auch meine weiteren Busfahrten und weil ich sowieso gerade schon beim Herumschieben war, strich ich auch gleich noch eine weitere Nacht in Auckland aus meinem Tourplan und schob stattdessen drei Nächte in Rotorua dazwischen.

Nach der ganzen Herumplanerei war ich eigentlich ganz zufrieden mit mir und meinem Werk und war riesig erleichtert, am nächsten Tag nicht raus in den Regen zu müssen.

Tatsächlich war am Montag bei uns das Schlimmste aber bereits rum, sodass ich anfänglich sogar ein wenig unglücklich über meine Entscheidung war, Ahipara abgesagt zu haben. Allerdings nur solange bis ich herausfand, dass der Intercity Bus dorthin eh gestrichen worden war.

Gegen Nachmittag nahm der Sturm nochmal etwas Fahrt auf. Ich lief deshalb nur eine ganz kleine Runde am Wasser entlang und kletterte auf einen ganz kleinen Aussichtspunkt.

Insgesamt muss ich aber sagen, dass wir hier in Paihia echt Glück hatten. Wir mussten nicht evakuiert werden, wie Menschen in anderen Teilen des Landes. Es gab auch keine Hangrutsche oder Überflutungen von Häusern oder sonstige größere Schäden. Am Montag hatten wir mal kurzzeitig Stromausfall.

In Neuseeland ist ja sogar der Notstand ausgerufen worden und es gibt Tote. Und an den vielen Nachrichten, die ich von euch bekommen habe, habe ich gemerkt, dass wohl auch in Deutschland über den Zyklon berichtet wurde.

Während Gabrielle weiter nach Süden zog und unter anderem an der Ostküste der Nordinsel wütete, konnten wir hier am Dienstag ohne Probleme vor die Tür gehen. Die Geschäfte öffneten wieder und an der Uferpromenade schlenderten die Touristen.

Ich entschied mich dazu, einen Wanderweg zu einem Wasserfall zu begehen. Nur mal gucken, wie weit ich komme. Zuerst musste ich mal wieder an der Straße entlang, an der immer noch viel Treibholz lag und auch Muscheln und Sand auf der Straße.

Über eine Brücke und an einem kleinen Hafen vorbei führte der Weg weiter in einen Wald. Das war natürlich nicht so schlau. Als der Wind nach einer Weile nochmal auffrischte und die Bäume knarzten, war mir doch etwas mulmig. Aber es ging dann sowieso nicht mehr weiter, weil zwei oder drei umgewehte Bäume den Wanderweg versperrten. Da bin ich dann ganz schnell wieder umgedreht. Meine Bettnachbarin Claire meinte aber, dass der Wasserfall eh nicht so toll sei.

Als ich von der Wanderung zurück im Hostel war, bekam ich die schlechte Nachricht des Tages: Mein Bus nach Rotorua für den nächsten Tag war gecancelt. Damit hätte ich ja im Leben nicht gerechnet. Ich hatte am Sonntag, als ich gleich zwei und nicht nur einen Tag verlängert hatte, gedacht, ich sei übervorsichtig. 

Aber es war ja auch ein großer Denkfehler: Nach dem Sturm heißt vor den Aufräumarbeiten. Gabrielle hat unzählige Straßen in Neuseeland unbefahrbar gemacht. Ausweichen kann man hier nicht so einfach wie in Deutschland, dafür gibt es nicht genug Straßen. Von Paihia nach Auckland gibt es für manche Abschnitte nur eine einzige Straße. 

Es brachte mir also herzlich wenig, dass bei uns alles überstanden war und wir glimpflich davon gekommen waren, wenn es weiter südlich ganz anders aussah.

Dienstagabend hatten wir sogar schon wieder blauen Himmel

Ich hatte also gleich zwei Probleme: Zum einen brauchte ich eine Schlafmöglichkeit in Paihia für die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Die Rezeption des Hostels hatte leider schon geschlossen, deshalb konnte ich da nicht nachfragen. Zum anderen musste ich jetzt schon wieder Hostels und Busse für die Folgetage umbuchen.

Als ich heute morgen aufstand gab es die nächste Überraschung: Internet und Telefon gingen nicht mehr. Der ganze Norden sei wohl abgeschnitten. Dadurch konnte die Hostelmanagerin uns Gestrandeten auch nicht sagen, ob sie für eine weitere Nacht ein Zimmer für uns hat. Sie wartete nämlich  auf eine große Reisegruppe, von der sie aber nicht sicher war, ob sie es nach Paihia schaffen würde. Und Kontakt konnte sie nicht aufnehmen.

Wir sollten also zuerst einmal nicht unsere Zimmer und Betten räumen sondern auf die Rückkehr des Internets warten. Die Zeit nutzte ich, um weitere Umbuchungen vorzunehmen. Bei meiner letzten Reise wäre mir das nicht passiert, weil ich da gar nicht so viel im Voraus gebucht hatte. Aber post Corona ist die Hostelauswahl leider nicht mehr so üppig, da muss man etwas länger im Voraus buchen.

Gegen 12 Uhr war das Internet wieder da und wir bekamen die positive Nachricht, dass wir noch eine Nacht bleiben durften. Sehr schön. Ansonsten hätte ich allerdings im Zimmer von Claire, meiner ehemaligen Bettnachbarin schlafen können. Die hatte sich zwei Tage vorher ein Privatzimmer im Hostel gegönnt, damit sie ihre Fitnessübungen machen kann. Claire ist aus England, 49 Jahre, arbeitet im Marketing und ich verstehe mich fantastisch mit ihr. Wäre also ein guter Plan B gewesen.

Nachdem die Zimmerfrage geklärt war, machte ich mich zu meiner täglichen Tour auf. Diesmal ein Aussichtspunkt über Paihia. Allerdings war die Aussicht gar nicht so einwandfrei, weil überall Bäume vor dem Aussichtspunkt rumstanden.

Der Weg dorthin war aber sehr schön: Wieder so ein verwunschener, neuseeländischer Wald, dem man sein Alter anmerkt und in dem ganz viele verschiedene Bäume und Pflanzen wachsen. 

Nach dem Aussichtspunkt bin ich noch einen weiteren Waldweg langgelaufen. Hier war nichts verwunschen, aber es war dennoch eine nette Tour. Nur auf dem Rückweg wäre ich fast von zwei Motocrossidioten über den Haufen gefahren worden, die auf diesem Weg absolut nichts zu suchen hatten.

Ja und jetzt sitze ich hier und bete, dass meine Busse nach Auckland und Rotorua morgen wirklich fahren. Bis jetzt sind sie noch nicht gecancelt, aber das muss ja nichts heißen. Ich weiß nämlich langsam nicht mehr, was ich in Paihia noch machen soll und im Hostel waren in den vergangenen Tagen auch immer nur die selben Nasen. Eben wie damals im Lockdown.

Gerade schrieb mir meine Cousine auch noch von einem Erdbeben in Neuseeland, das es am Abend gab. Davon haben wir hier zum Glück auch nichts mitbekommen. Aber langsam soll Neuseeland echt mal zur Ruhe kommen dürfen.

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare

  1. Sarah W.

    Ich bin sehr froh, dass du Gabrielle gut überstanden hast!!!
    Die Bilder – der vorherigen Blogeinträge mit den Buchten und Urwäldern- sind fantastisch!

    Ganz liebe Grüße
    Sarah

    1. Anne

      Danke Sarah, ich hoffe, dass ich euch noch mehr schöne Bilder aus Neuseeland präsentieren kann 🙂

  2. Entsetzte Paula mit Haushälterin Marie

    Ich finde es schön zu lesen, dass du mir mit Claire gerne ein Zimmer geteilt hättest wo du doch sonst in Familienurlauben immer auf deine eigenen vier Wände bestehst 😉

    1. Marie

      Dir heißt das natürlich

      1. Anne

        Marie, mir hat doch die Obdachlosigkeit gedroht!

  3. Mama

    Als Moselanerin bist du ja Hochwasser erfahren. Aber so eine Sturmflut ist schon eine Hausnummer. Gut, dass es erst einmal vorbei ist. Jetzt muss nur noch die Rückkehr in den „Reisealltag“🙃 gelingen.

    1. Anne

      Das hoffe ich auch, dass ich den Rest meiner Planungen nicht noch umschmeißen muss.

  4. Opa Hans

    Ja, ich war in Wilkendorf und was ich dort über „Gabrielle“ in Erfahrung bringen konnte war schon beunruhigend. Aber „et it noch immer allet jut jegange“ und nun wünsche ich Dir keine weiteren Pleiten ,Pech und Pannen. Toi, toi, toi für Deine neue Planung.

    1. Anne

      Also wie gesagt, da hatten wir in Paihia wirklich Glück gehabt, dass wir es nicht so stark abbekommen haben, wie in anderen Teilen des Landes.

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