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Eine Woche in der Wüste Gobi

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  • Beitrags-Kategorie:Asien

Nehmt euch lieber einen Tag Urlaub, bevor ihr anfangt zu lesen. Ihr werdet die Zeit brauchen. Ok, es geht los.

Mein Trip in die Wüste Gobi begann rund fünf Minuten vor der geplanten Abfahrt mit einer Überraschung: Die beiden Franzosen, die mit auf Tour gehen wollten und die wir erst am Vortag getroffen hatten, sagten kurzfristig ab. Die Hostelbesitzerin Bobby versicherte jedoch, sie sei zuversichtlich, noch andere Menschen für die Reise auftreiben zu können. Es gebe da eine Stefanie, die jeden Moment mit dem Flugzeug ankomme und die ja möglicherweise mitkommen möchte. Ich war da nicht so optimistisch, dass jemand direkt nach einem langen Flug auf Wüstentour gehen will. 

So warteten wir also mit gepackten Rucksäcken auf Stefanies Ankunft. Fahrer und Bus waren auch schon da. Wie sich herausstellte, war Stefanie nicht allein unterwegs sondern in Begleitung ihres Freundes Michael, beides Österreicher. Und sie hatten tatsächlich spontan Lust, mit in die Wüste zu kommen. So war unser Quartett – zusammen mit Wietze aus den Niederlanden – wieder vollständig und die Reise konnte etwas verspätet beginnen.

Russischer Minibus in Ulan-Bator
Wir waren mit dem gleichen russischen Bus unterwegs wie auf der Insel Olchon

Unser Fahrer, Koch und Tourguide in Personalunion war Patra. (Ich habe keine Ahnung, wie sein Name geschrieben wird.) Er und Bobby fuhren zuerst mit uns zum Supermarkt. Dort deckten wir uns für ein Leben in der mongolischen Wildnis ein: Wasser, Klopapier, Feuchttücher, Schokolade. Damit kommt man auch in harten Zeiten über die Runden.  

Es folgte eine der größten Herausforderungen der Reise, die Bezwingung des ulan-batorischen Staus. Der war wirklich mörderisch. Wir brauchten rund zwei Stunden für die paar Kilometer bis zur Stadtgrenze. Im Bus ohne Klimaanlage schwitzten wir vor uns hin. Nach Ewigkeiten hörte die Stadt dann auf einmal ganz plötzlich einfach auf und links und rechts von uns war nur noch karge Wiese. 

Am Stadtrand von Ulan-Bator
Hier am Rande der Stadt gab es das erste Mittagessen

Dort auf dem freien Feld vor Ulan-Bator legten wir für’s Mittagessen an einem kleinen Imbisswagen unseren zweiten Zwischenstopp des Tages ein. Wir kamen in den Genuss echten mongolischen Fastfoods: Khushur. Das sind frittierte Pfannkuchen, die mit Fleisch und manchmal auch etwas Gemüse oder Kartoffeln gefüllt sind. Ich fand’s ziemlich lecker, auch wenn meine Finger vor Fett trieften und das Fleisch ein wenig streng schmeckte. Patra meinte, es sei Rindfleisch, aber das glaubte ich ihm nicht so ganz.

Nach dem Mittagessen fuhren wir in eine andere Welt. Die Mongolei ist das Land mit der niedrigsten Bevölkerungsdichte der Erde. Davon merkt man in Ulan-Bator herzlich wenig. Dort leben rund 1,5 Millionen Menschen, fast die Hälfte aller Einwohner der Mongolei. Das permanente Verkehrschaos erwähnte ich ja bereits. 

Wir aber lernten jetzt die andere Seite des Landes kennen. Die Straße wurde um uns herum immer leerer, die Landschaft immer karger, der Handyempfang brach ab, Siedlungen sahen wir nicht, nur vereinzelt Jurtencamps, die wie einsame Champignons in der weiten Leere der Landschaft sprossen. 

Patra legte mongolische Popmusik auf und zu diesem Gesang schlurften wir die Straße entlang. (Wir hörten während der sieben Tage immer wieder die selbe CD und von manchen Liedern habe ich immer noch einen Ohrwurm.) Die ersten Stunden waren auf geteertem Boden noch recht komfortabel, doch ab dem Nachmittag ging es auf der Schotterpiste weiter und das sollte in den nächsten Tagen fast immer so bleiben.

Unsere erste Sehenswürdigkeit war der Baga Gazriin Chuluu-Nationalpark etwa 250 Kilometer südlich von Ulan-Bator. Es ist ein langes Felsmassiv mit den Überresten eines alten Tempels, und ich glaube, dort haben wir die letzten Bäume unserer Tour gesehen. 

 

Im Anschluss war es nur noch eine kurze Fahrt zu unserem ersten Schlafplatz bei einer Nomadenfamilie in einem Jurtencamp. Während Patra uns Abendessen kochte, hatten wir etwas Freizeit und die nutzte ich, um vollständige Ruhe und die untergehende Sonne auf einem Hügel in der Nähe des Camps zu genießen. 

Das Abendessen war für mich wieder einmal traumatisch. Gemüsesuppe. Aber noch viel gemüsiger als in Russland. Ich brauchte ewig um alles herunterzubekommen, aber es gelang. Vielleicht bekomme ich langsam Hornhaut auf der Zunge. 

In den Jurtencamps gibt es übrigens außen kein Licht. Das heißt, wenn es dunkel ist, ist es richtig dunkel. Aber wir gewöhnten uns recht schnell daran, vor dem Schlafengehen mit Stirnlampe das Plumpsklo zu suchen.

Hier unsere Jurte von außen…

…und von innen.

Unser zweiter Tag begann mit einem von Patra liebevoll zubereiteten Sandwichfrühstück. Er war sowieso der Beste und kümmerte sich gut um uns, auch wenn sein Englisch nicht so ganz perfekt war. Aber wir konnten uns schon verständigen. 

Den Vormittag verbrachten wir auf der Straße, das nächste Highlight gab es zum Mittagessen. Patra beschloss nämlich, den Kochlöffel neben grasenden Kamelen auf einem Feld zu schwingen. So hatten wir, während er köchelte, genug Zeit, uns die Kamele aus der Nähe anzuschauen, denn Zäune gibt es hier natürlich nicht. Weder für Kamele, noch für Pferde, Kühe, Schafe oder Ziegen. Oft genug machen diese es sich deshalb auf der Straße bequem.

Übrigens, alle Leserinnen betrachten doch bitte einmal das letzte Bild und stellen sich vor, man befindet sich an so einem Ort und die Blase drückt. Steffi und ich hatten es in dieser Woche mit dem Toilettengang nicht so leicht.

Zum Mittag gab es eine mongolische Suppe, die hier oft auch zum Frühstück gegessen wird. Es war eine Milchreissuppe (aber leicht salzig) mit Buuz (gefüllte Teigtaschen). War sehr gut, hätte nur etwas herzhafter sein können. 

Am Nachmittag besuchten wir die Stadt Dalandsadgad, von der aus man schon fast nach China spucken kann. Eigentlich stand Dalandsadgad überhaupt nicht auf unserem Tagesplan, aber wir merkten schnell, dass Patra seine eigenen Vorstellungen davon hatte, wann wir was, wo angucken. Das Städtchen war recht verschlafen, sodass wir die meiste Zeit in einem klimatisierten Café verbrachten, das stolz damit warb, schon seit 2017 zu existieren. Während wir unsere Getränke zu uns nahmen, kam Rammstein aus den Lautsprechern.

 

Als wir abends im Camp ankamen, war der Allradantrieb unseres Busses kaputt. Aber die mongolischen Fahrer kennen sich mit Kfz-Reparatur aus. Patra gelang es, unser Abendessen zu kochen, während er den Bus reparierte. (Es gab gebratene Nudeln. Lecker.)

Ich unternahm wieder eine kleine abendliche Wanderung rund um das Camp. Auch hier gab es mehrere Hügel, von denen man einen wunderschönen Blick über die Landschaft hatte und sich vorkam, als sei man allein auf der Welt. 

Unsere Jurte und das Camp waren diesmal komfortabler als in der ersten Nacht: Die Betten waren weicher, es gab kaum Spinnen und sogar eine Art Waschbecken vor dem Zelt. (Allerdings musste man das Wasser selbst einfüllen und das klappte nicht so recht). 

Tag 3 begann für uns schon in aller Frühe – um 7:30 Uhr gab es Frühstück – denn wir hatten einiges vor. Zuerst fuhren wir zum Ice Valley. Dort habe ich zwar kein Eis gesehen aber wir begegneten Pferden, Yaks und ganz vielen Maushamstertierchen.

Aufgrund unseres frühen Starts waren wir die ersten Wanderer in der Schlucht, was wirklich toll war. Auf unserem Rückweg kamen uns dann nämlich schon jede Menge Touristen entgegen. Der Weg führte entlang eines kleinen Baches und wurde immer schmaler. 

Wir mussten ziemlich häufig über den Bach drüber, wenn es auf einer Seite nicht mehr weiter ging. Natürlich stellte ich mich dämlich an, weil wir über glibbrige Steine balancieren mussten. Aber mit ein wenig Hilfe der anderen blieben meine Füße trocken. Und einmal mussten wir eine kleine Steilwand passieren. Wahrscheinlich waren die anderen erleichterter als ich, als ich heil auf der anderen Seite angekommen war.

Nach der Wanderung folgte eine besonders lange und holprige Fahrt. Eine kurze Unterbrechung gab es nur für das Mittagessen: Nudeln mit Wurst, Tomaten und Kimchi. Wir waren alle froh, als wir endlich gut durchgeschüttelt im Camp eintrafen. Den Sandsturm, der uns bei unserer Ankunft begrüßte, saßen wir in der Jurte aus. 

Als der Himmel sich beruhigt hatte, ließ Patra uns zum Kamelritt antreten. Ich war meinem Kamel sehr dankbar, dass es ohne mit der Wimper zu zucken aufstand, obwohl ich oben drauf saß. Ich hätte es auch verstanden, wenn es sich einfach geweigert hätte. Aber Kamele scheinen einiges auszuhalten und so schaukelten wir eine meditative Stunde lang im Schritt durch die flache, karge Landschaft rund um das Camp. 

Die Ruhe wurde nur durch ein freches Kamel gestört, das eigentlich nicht Teil unserer kleinen Karawane war, aber sich einen Spaß daraus machte, immer um uns herum und durch uns durch zu rennen. Unser Kamelführer schimpfte wie ein Rohrspatz mit dem Scherzkeks.

Unser Tag war mit dem Kamelritt aber noch nicht beendet. Unser Abendprogramm sah es vor, auf eine Sanddüne zu klettern und von dort aus den Sonnenuntergang zu bewundern. Hört sich in der Theorie gut an. Ich will nicht übertreiben, die Düne war natürlich nicht so hoch wie der Mount Everest, aber an den K2 kam sie meiner Meinung nach ran. Und wer schonmal auf eine Düne geklettert ist, weiß: Je langsamer man ist, desto doller sackt man ein und desto schwieriger wird es.

Was soll ich sagen – die anderen Mitglieder meiner Gruppe waren anscheinend alle immer Klassenbeste bei den Bundesjugendspielen und rannten die Düne hoch, während ich mich alle zehn Meter in den Sand schmeißen musste um mich vor der drohenden Ohnmacht zu bewahren. Und während ich da so lag, sah ich die Sonne kontinuierlich sinken.

Aber ich bin ja auch ’ne Kämpfernatur und schaffte es am Ende. Mit hochrotem Kopf und fertig mit der Welt kam ich oben an und hatte sogar noch etwas Zeit bis zum Sonnenuntergang.

Und so saßen wir dort wieder einmal an einem Ort, der völlig entrückt war von der restlichen Welt und in kompletter Stille lag, während die Sonne hinter den Dünen unterging.

Der Abstieg war dann übrigens auch für mich äußerst lustig. Wir probierten verschiedene Varianten der Fortbewegung aus. Ich war die einzige, der es gelang, auf dem Hintern einigermaßen flott die Düne hinunterzurutschen. Schade nur, dass das keine Disziplin bei den Bundesjugendspielen ist.

Zur Belohnung erwartete uns zurück im Camp tatsächlich eine Dusche. Eine fast richtige Dusche. Man musste vorher Wasser in Tanks füllen und das Wasser war kalt und es gab kein Licht. Aber da es die erste Duschmöglichkeit seit Beginn des Trips war, feierten wir sie wie ein Wellnesshotel. Mal ganz abgesehen davon, dass wir von den Ohren bis zu den Fußnägeln voller Sand waren.

Am nächsten Morgen gelang es uns endlich, ein paar Geschenke für die Kinder der Nomaden zu verteilen. Im ersten Camp hatten wir es schändlicherweise vergessen und im zweiten Camp gab es keine Kinder. 

Patra machte uns am Morgen auch ein Geschenk: Er ließ uns bis 9 Uhr schlafen und verköstigte uns mit einem besonders leckeren Würstchen-und-Spiegelei-Frühstück (es gab jeden Morgen ein anderes Frühstück).

 

Minibus in der Weite der Gobi
Hier mal wieder ein Foto von einem Mittagessenplatz - die Weite des Landes ist unfassbar

Bereits am Morgen war es sehr warm gewesen, im Laufe des Tages steigerte sich die Hitze permanent, sodass wir etwas schlapp waren, als wir an unserem Tagesziel Bayanzag, auch Red Canyon oder Flaming Cliffs genannt, ankamen und Patra uns mitteilte, wir könnten jetzt wandern gehen. Die Gegend ist auch bekannt, weil hier viele Dinosaurierfossilien gefunden wurden. Wir fanden aber keine. 

Steffi und Michi zogen es vor, im Schatten vor dem Bus zu bleiben, während Wietze und ich die Felsen hinunterkletterten, uns auf der anderen Seite des Tals in einer Felsspalte vor der Sonne versteckten und Siesta machten.

Besonders lange hielten wir es aber auch nicht aus und deshalb waren wir an diesem Tag wahrscheinlich früher in unserem Camp als erwartet und hatten einen vollen Nachmittag zur freien Verfügung. Das war sehr lustig, denn wir waren mal wieder im Nirgendwo und verbrachten viel Zeit damit, vor unserer Jurte zu sitzen und auf Dinge zu starren. 

Die Gegend erinnerte mich ein wenig an den Wilden Westen, oder zumindest daran, wie ich mir den Wilden Westen vorstelle. Auch das Camp selbst hatte dieses Flair und einmal fuhr einer der Nomaden mit einem Cowboyhut auf einem Motorrad an uns vorbei. Das war sehr aufregend, weil mal etwas passierte. Wir blieben bis zum späten Abend vor der Jurte sitzen und zählten Sternschnuppen.

 

Der nächste Morgen begann für mich damit, dass ich den Cowboynomaden auf seinem Motorrad wiedersah. Er fuhr an mir vorbei, während ich auf dem Klo war. Ich sollte dazu sagen, dass das Klo keine Tür hatte. 

Nach dem Frühstück fuhr Patra mit uns nochmal nach Dalandsadgad, damit wir dort duschen können. Auf der Fahrt platzte uns ein Reifen und am Tag zuvor hatten wir ein Rücklicht verloren. Die Straßen sind eben ziemlich fordernd.

Die Dusche war himmlisch. Es war ein öffentliches Duschhaus mit fließendem, heißen Wasser und riesigen Duschkabinen. Ich nehme an, dass viele Wohnungen in der Stadt keine richtige Dusche haben, denn das Duschhaus war gut besucht.

Duschhaus in Dalandsadgad
Die Türen zu den Duschkabinen in Dalandsadgad

Wohlduftend und gutgelaunt setzte uns Patra im Anschluss in dem uns schon bekannten Traditionscafé ab, während er mit dem Bus in der Werkstatt vorbeischaute. Das Café war voller Schulkinder, denn just an diesem Tag, dem 1. September, war Schulanfang in der ganzen Mongolei (genauso wie in Hogwarts). 

Noch schnell in den Supermarkt und weiter ging es in unser letzten Nomadencamp. Wir wurden diesmal in das Küchenzelt der Familie eingeladen und bekamen Kamelmilchtee mit leicht gezuckertem Brötchengebäck. 

Im Camp gab es ganz viele, ganz kleine Kamele mit ihren Müttern. Die machten einen wahnsinnigen Terz. Konkurrenz bekamen sie von einer Gruppe Südkoreaner, die am Abend im Camp ankam. Es war wahrscheinlich der Tourguide, der irgendwann zu uns kam und sich für die Lautstärke der Gruppe entschuldigte. Das fanden wir dann sehr nett. 

Wir verbrachten den Abend hinter der Jurte, sahen wieder Sternschnuppen und schauten Kater Minkie dabei zu, wie er Mäuse fängt. (Eine Maus deponierte er kurzzeitig auf meinem Handy.)

Als es zu windig wurde um weiter gemütlich draußen zu sitzen, gingen wir in die Jurte und freuten uns darüber, dass wir diesmal richtig dicke Matratzen statt Holzunterlagen in den Betten hatten. 

 

Die koreanische Reisegruppe trafen wir am nächsten Morgen bei den White Mountains (Weiße Berge) wieder. Dort absolvierten die Teilnehmer gerade ein ausgiebiges Fotoshooting als wir eintrafen. Die Felsformationen sind eher rot als weiß, deshalb weiß ich nicht, woher sie ihren Namen haben, aber sie sind auf jeden Fall sehr schön.

Unser Mittagessen aßen wir auf einer Wiese, die sich als riesiges Schnittlauchfeld herausstellte. Der Geruch war toll. Danach folgten Stops an einem Supermarkt und an einer Wasserstelle, an der sich Pferde und Kühe zum Trinken versammelt hatten. Die Wasserstelle lag nur leider mitten auf der Straße. Normalerweise war Patra da schmerzfrei und bremste nur bedingt ab, wenn Tiere unsere Straße kreuzten. Hier beschloss aber auch er, mal kurz anzuhalten. 

Nächster planmäßiger Stop war eine Höhle in einer Felsformation. An deren Ende war eine Felswand, über die man wieder aus der Höhle hinausklettern konnte. Mit Steffis gutem Zuspruch meisterte ich die Kletterei wie eine alte Bergziege. 

Ich habe leider den Namen der Gegend vergessen, aber sie war beeindruckend. Überall wuchsen große, ganz unterschiedlich geformte Felsblöcke aus dem Boden und inmitten dieser tollen Landschaft schlugen wir an diesem Abend unsere Zelte auf. Genau, kein Jurtencamp, sondern zelten in der Wildnis.   

 

Nachdem wir uns häuslich eingerichtet hatten, schickte Patra uns zum Feuerholzsuchen. Das ist ja an sich nicht schlimm, man bedenke nur, dass wir den letzten Baum vor sechs Tagen gesehen hatten. Es war also ein etwas langwieriges Unterfangen, die Felsen hinaufzuklettern und vertrocknete Sträucher aus den Ritzen zu buddeln. Steffi und Michi übernahmen diesen Job, während ich zwar kein Holz, dafür aber eine Schlange auf dem Boden fand.

Aufgrund unserer kreuchenden und fleuchenden Gesellschaft entschieden wir uns recht schnell, doch in den Zelten und nicht  – wie ursprünglich mal überlegt – unter dem Sternenhimmel zu schlafen. 

Ich vertrieb mir die Zeit bis zum Abendessen, indem ich noch ein wenig Felsenklettern übte. Man weiß ja nie, wann man es mal wieder braucht. Und Michi und Steffi halfen Patra beim Teigausrollen. 

Wir aßen so eine Art Khushur, aber Patras Selbstgemachte waren deutlich weniger fettig, als die am ersten Tag am Straßenimbiss. Sie waren sehr lecker und mit Fleisch, Kartoffeln und Gemüse gefüllt. Dazu gab es österreichischen Wein (Blauer Zweigelt). Innerlich fühlte ich mich als Moselanerin und neigschmeckte Badenerin natürlich beleidigt. Aber das war doch eine sehr schöne Idee für unseren Abschlussabend. 

Die einbrechende Dunkelheit vertrieben wir mit unserem Lagerfeuer. Zum Glück hatten wir viel Holz gesammelt, denn die dünnen, staubtrockenen Zweige brannten wie Zunder. Nach einem sehr gemütlichen Abend machten sich die anderen zeltfertig. Ich wollte eigentlich noch ein letztes Mal den Sternenhimmel genießen, aber unheimliche Geräusche, die nur von einem Säbelzahntiger kommen konnten, jagten auch mich in mein Zelt. 

Am nächsten Morgen beim Zähneputzen sah ich die Quelle der Geräusche aus der Nacht. Es waren ein paar Pferde, die in unserer Nachbarschaft unterwegs waren. In der Nacht klingt eben alles ein wenig gruseliger als am Tage. 

Jetzt ist meine Geschichte fast zu Ende. Denn am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zurück nach Ulan-Bator. Unterwegs hatten wir noch ein letztes Abenteuer. Patra hielt plötzlich an einem kleinen Jurtencamp und unterhielt sich mit einem der Bewohner durchs Autofenster. Dann stoppte er den Motor und teilte uns mit, wir mögen jetzt alle mit in die Jurte kommen, wir dürfen Airag probieren. 

Airag ist fermentierte Stutenmilch. Wir bekamen zwei große Schüsseln, die wir uns teilen sollten. Die Milch schmeckte scheußlich sauer. Aber ich wollte nicht unhöflich sein und trank eine der Schüsseln im Alleingang aus, während die anderen Drei nicht einmal in gemeinsamen Bemühungen die zweite komplett leerbekamen. Noch schlimmer war der getrocknete Joghurt, der uns in großen Klumpen gereicht wurde und furchtbar salzig war. 

Zurück im Bus fragte ich Patra, ob er die Familie kenne. Er verneinte. Er hatte dort anscheinend einfach mal so angehalten und den Familienältesten bequatscht uns ins Zelt zu lassen.

Den Rest der Fahrt dösten wir ein wenig im Bus, hielten erneut an einem Khushurstand, kamen zurück in die Zivilisation, hatten gar keinen Stau in der Stadt, erreichten am frühen Nachmittag unser Hostel, rannten unter die Dusche, wuschen unsere Sachen und waren glücklich. Was für eine perfekte Woche. 

V.l.: Michi, Wietze, Anne, Steffi, Patra

Dieser Beitrag hat 24 Kommentare

  1. Mama

    Als ich die ersten Fotos gesehen habe, wusste ich, das ist ganz nach deinem Geschmack. Da geht einem ja auch wirklich das Herz auf. Super.

    1. Anne

      Wegen viele Steine und keine Menschen und so, wa? 🙂

  2. Anonymous

    Hi Anne, ich sitze gerade unter dem Neustadter Sternenhimmel und lese mal wieder deine Berichte. Mehrfach habe ich vor mich hingelacht, weil du einfach wunderbar schreibst. Die Kamelgeschichte und die Kletterberichte sind köstlich und deine Fotos preisverdächtig. Sehr schön, dass es dir so gut geht auf deiner Reise und beeindruckend, wie du das alles managest. Wünsche dir weiter nette Reisebekanntschaften und schöne Erlebnisse! Liebe Grüße aus der Heimat……von Katharina (mit ein bisschen Fernweh😜)

    1. Anne

      Huhu Katharina, ganz viele Grüße in die Pfalz, wo der Sternenhimmel bestimmt mindestens genauso beeindruckend ist, wie in der Mongolei, denn Elektrizität habt ihr ja da, glaube ich, auch noch nicht 😀 Vielen Dank für das Lob und die guten Wünsche. Im Nachhinein fand ich die Klettersache auch lustig, nur nicht währenddessen 🙂

      1. Katharina

        Hihi, wir haben tatsächlich keine Elektrizität auf unserer Terrasse 🤓und das mit dem Klettern kann ich gut nachvollziehen, ich hatte da auch mal ein unangenehmes Erlebnis 😀😀good Luck!! Katharina

        1. Anne

          Auf diese Geschichte werde ich irgendwann zurückkommen 😀

  3. Die sprachlose Kuhsine

    WOW!!!

  4. Marie

    Woooooow… Mehr weiß ich dazu nicht zu sagen. Vielen Dank für den tollen Reisebericht und das du dir die Mühe machst uns alle daran teilhaben zu lassen.
    Gut, dass wir dich schon in jungen Jahren so häufig in ferne Länder geschickt haben. So konntest du die Taschentuchtechnik über die Jahre perfektionieren 🙂
    Weiterhin eine gute Reise.
    Die Blochs und Koarks sind ganz stolz auf dich!!

    1. Anne

      Ohne das Wissen um die Taschentuchtechnik wäre ich überhaupt nicht zu der Tour aufgebrochen 😀 Und danke, dass du die Mühe hinter dem Bericht erkannt hast. Aber es macht mir ja auch großen Spaß darüber zu schreiben, sonst würde ich es nicht machen 🙂

  5. Renate

    Mensch Anne! Wie toll!!! Großer Respekt und großer Neid!!! Freue mich auf deine nächsten Erlebnisse. LG Renate

    1. Anne

      Huhu Renate, wie schön dass du auch mitliest. Ich freue mich auch auf meine nächsten Erlebnisse 😀 Ganz viele Grüße aus Ulan-Bator 🙂

  6. Andrea

    Aaaaah…. Anne!!! DAS ist ein Reisebericht genau nach meinem Geschmack!!! Danke danke danke! – Du kannst bestimmt erahnen, wie das Lesen gerade (im Büro) vonstatten ging: Ich gefesselt starrend, mit einem glückseelig entrückten Blick, auf meinen Bildschirm … und Kollegen um Kollegen schwirren an mir vorbei (ohne dass ich sie wirklich wahrnehme….). Vielleicht habe ich auch Fragen beantwortet… aber ich weiß es nicht. 🙂

    Kurzum: Ich war gerade in der Wüste Gobi *strahl – und ab heute ist meine „100 Ziele die ich noch bereisen werde-Liste“ auf 101 gewachsen. 🙂 🙂 🙂

    1. Anne

      😀 😀 😀 Ich fühle mich sehr geehrt, dass du deine Arbeit vernachlässigst, um meine Reiseberichte zu lesen. Obwohl, schaffst du eigentlich überhaupt manchmal was Vernünftiges? 😀 Ne ernsthaft, ich sehe dich bildlich vor mir, wie du in deiner Ecke am Computer gesessen hast. Ganz viele Grüße nach Karlsruhe 🙂

  7. Oma & Opa

    Ja Anne, das war eine lange Woche und zum Glück gab es zwischendurch mal ein Rauchzeichen von Dir. Dafür hat sich das bange Warten gelohnt und wir sind jetzt hellauf begeistert von Deinem Reisebericht und den schönen Aufnahmen dazu. Alle Achtung auch wie Du bisher die abenteuerliche Seite Deiner Reise gemeistert hast. Da bekommt der Begriff Bescheidenheit und Entbehrung eine völlig neue Bedeutung. Wir drücken Dir weiterhin die Daumen …. und bleiben wie immer schön neugierig.

    1. Anne

      Ja, es war wirklich ein sehr schlichtes Leben, aber ich bin selbst überrascht, wie gut ich mit allem klargekommen bin: also mit den fehlenden Duschen und Plumpsklos und kein Handy und keine Elektrizität und so.

  8. Sieglind Bloch

    Hallo Anne,wieder beeindruckend in Wort und Bild! ich bewundere Dich ,wie Du die kulinarischen Höhepunkte meisterst,ich müsste wohl verhungern.Nun bin ich gespannt,wohin die Reise weiter geht,viel Spass!!!

    1. Anne

      Ich härte da echt langsam ab, was das Essen angeht. Nur bei fettigem Fleisch bin ich wirklich raus. Das wandert dann still und heimlich ins Taschentuch. (Die Reise geht nach Südkorea)

  9. Rebekka

    Anne, was für ein toller Bericht und fantastische Bilder. Gut, dass ihr alle wieder gesund in Ulan Bator angekommen seid! Die Weite ist echt krass – in echt bestimmt noch viel beeindruckender! Saustark!

    1. Anne

      Ja, das ist oft das Problem mit diesen weiten, flachen Landschaften. Es ist schwer, die Dimensionen auf Fotos einzufangen. Also ich kann dir nur empfehlen, die Mongolei auf deine Liste zu setzen. Das wäre was für dich.

  10. Peggy Schneider

    Hallo Anne. Endlich ist die Woche rum und wir können lustige und abenteuerliche Erlebnisse von deiner Reise in die Wüste Gobi erfahren. Klo’s ohne Wände 🙈,Schlangen 🐍oder Gehölz suchen ohne Bäume 🌳,stelle ich mir schon sehr aufregend vor. Das das Duschen,wenn auch mit kaltem Wasser, wie ein Geschenk für euch war, ist bei solch Ausflügen vorstellbar.
    Hab weiterhin eine gute Reise. In welches Land wirst du jetzt reisen? 🙋‍♀️🙋‍♀️🙋‍♀️
    Lg Peggy

    1. Anne

      Es war auf jeden Fall ein Abenteuer. Als nächstes geht es nach Südkorea. Das wird bestimmt auch abenteuerlich, ich weiß nämlich überhaupt nichts über das Land.

      1. Andrea

        Anne, auf welchem Weg geht’s denn wann nach Südkorea? Über Nordkorea? 😉

        1. Anne

          Nenenenene, mit dem Flugzeug. Bin heute angekommen und schreibe jetzt mal einen neuen Bericht 🙂

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