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In den Wilden Osten

Meine letzte Nacht in Tallinn war fast genauso schlimm wie die erste. Die Frau, die im Bett unter mir schlief, hat so unfassbar laut geschnarcht, dass meine Ohropax überhaupt nichts bewirkt haben. Einzige Linderung verschaffte mir Weißes Rauschen via Youtube.

In den frühen Morgenstunden hatte ich auf diese Weise 400 MB Datenvolumen verballert, weil das WLAN natürlich unsere Kaschemme unter dem Dach nicht erreichte. Gegen 6 Uhr morgens war mein Datenguthaben restlos aufgebraucht und ich sah mich gezwungen aufzustehen, da ich es keine Sekunde länger mit diesem Schnarchmonster aushalten konnte.

Etwas Gutes hatte es: Ich habe die Tallinner Altstadt mal völlig menschenleer genießen können. Und an dieser Stelle kommt ein kleines Fazit meiner Hauptstädtetour. Riga ist nach wie vor meine Nummer 1. Ich fand die Stadt total vielseitig und ich habe mich dort einfach sehr wohl gefühlt. Das ist mein subjektives Empfinden. 

Rein objektiv betrachtet sind Städte wie Prag, Budapest und Warschau natürlich prachtvoller. Und ähnlich wie Riga haben auch Vilnius und Tallinn süße Altstädte. Schön fand ich, dass die drei baltischen Städte alle unterschiedlich waren, also nicht nach dem Motto: „Kennst du eine, kennst du alle.“ Auch Bratislava hatte eine schöne Altstadt und nette Ecken, kann aber meiner Meinung nach mit den anderen Städten nicht ganz mithalten. Ein Besuch lohnt sich natürlich trotzdem.

Und damit ist die erste Phase meiner Reise abgeschlossen. Am Montag habe ich die EU verlassen. Mit dem Bus ging es von Tallinn nach Sankt Petersburg.

Busbahnhöfe sehen in der Tat fast überall gleich aus

Die Grenze haben wir in Narva passiert. Der Grenzübergang liegt mitten in der Stadt, das fand ich sehr kurios. Supermarkt, Park, alte Burg, EU-Außengrenze, Wohnblock, Supermarkt. So ungefähr. Ich war sehr aufgeregt und hatte Angst, dass mit meinem Visum vielleicht etwas nicht in Ordnung ist. 

Es trug auch nicht zu meiner Beruhigung bei, dass der unfreundlich bis aggressive Busfahrer im Minutentakt Anweisungen auf Russisch durch den Bus brüllte, die ich natürlich nicht verstand. 

Insgesamt mussten wir viermal unsere Pässe zeigen. Bei der Ausreise aus Estland wurden sie eingesammelt und uns nach der Kontrolle wiedergebracht. An der russischen Grenze hat sich ein Beamter die Pässe zuerst im Bus zeigen lassen. Dann sind wir ein paar Meter gerollt und mussten alle mitsamt Gepäck aussteigen und in einen Schalterraum gehen. Dort bekam ich dann meine Einreisekarte. Alles hat ohne Probleme geklappt. Als wir wieder im Bus waren, kam dann nochmal jemand und hat ein letztes Mal die Pässe angeschaut. Insgesamt hat alles vielleicht so eine Stunde gedauert.

In Russland hat uns der unfreundlich bis aggressive Busfahrer dann entgegen der Angaben auf meinem Ticket nicht an einem Busbahnhof sondern an irgendeiner Straßenecke aus dem Bus geschmissen. Warum auch immer. Am Ende hat er mir damit einen Gefallen getan, da die Straße näher an meinem Hostel war als der Bahnhof. 

Es kam mir schon alles ziemlich fremd vor am Anfang, es ist eben anders als EU. Das legte sich aber schnell, denn als ich im Hostel ankam, hab ich mich gleich heimisch gefühlt. Es ist optisch das bislang coolste Hostel. Und die Atmosphäre ist auch sehr freundlich (leider kam gerade eine deutsche Männertruppe hier reinmarschiert, die Sankt Petersburg augenscheinlich mit Mallorca verwechselt hat). Es ist eine riesige Altbauwohnung, für ein Hostel aber wieder eher klein. Ich muss euch mal ein paar Bilder zeigen.

Am ersten Abend habe ich nur eine kleine Runde gedreht. Vor allem um Geld zu tauschen und mir eine SIM-Karte zu besorgen. Technisch war das nicht schwer, nur die Verständigung mit der Verkäuferin etwas haklig.

Ich habe gelesen, dass Menschen in Russland nur Bekannten zulächeln. Wenn man einfach jemand Fremden anlächelt, wird das unter anderem als unaufrichtig verstanden. Ich habe dann versucht, in dem Telefongeschäft im Angesicht unserer Verständigungsprobleme weder entschuldigend, aufmunternd, verständnisvoll, noch ratlos oder zustimmend zu lächeln. War mir nicht möglich. Am Ende der Prozedur waren die Verkäuferin und ich beide erleichtert und wir haben uns angelächelt. Ganz aufrichtig.

Achso, ich habe übrigens für 20 GB Datenvolumen zehn Euro bezahlt. Da kann man nicht meckern. 

Mein Abendbrot habe ich übrigens hier gegessen. Das verstehen, glaube ich, auch die Nicht-Kyrillischbewanderten.

 

Auf dem Weg zurück zum Hostel bin ich an der Fontanka entlanggelaufen, die mitten durch Sankt Petersburg fließt und an deren Ufer viele Prachtbauten stehen. Ich habe nur ein paar schnelle Schnappschüsse gemacht. 

Am nächsten Morgen bin ich ziemlich spät aufgestanden, weil ich mein Schlafdefizit von der letzten Tallinn-Nacht ausgleichen musste. Den Rest des Tages habe ich damit verbracht, mir den berühmten Newski-Prospekt und die Gegend drumherum anzusehen und vor dem Regen zu flüchten, der Sankt Petersburg permanent heimsucht. Ich muss gestehen, ich war ein wenig kamerafaul, weil es bei dem Regen und Menschengedränge keinen Spaß macht, immer nach der Kamera zu kramen.

Heute war ich noch einmal auf dem Newski-Prospekt und habe ein kleines Video davon gemacht. Nichts besonderes, ich wollte nur mal zeigen, wie es da so aussieht. Ach und ich sage im Video immer DAS Newski-Prospekt, aber es heißt wohl DER Newski-Prospekt. Mea culpa.

Ich musste für die Eremitage dann gar nicht soo lange anstehen. Obwohl wirklich die Hölle los war. Der Eintritt kostet nur 10 Euro, was ich wirklich billig finde für ein Museum dieser Größe. Ich wäre jederzeit bereit gewesen, das Doppelte zu zahlen, wenn dafür nur halb so viele Besucher anwesend gewesen wären. 

Ich will gar nicht wissen, was da morgen los ist. Jeweils am ersten Donnerstag im Monat ist der Eintritt nämlich frei. Ich bin deshalb extra heute hin. Aber dennoch boxte, drängelte und quetschte ich mich mit drei Millionen anderen Menschen durch die Säle und Hallen, die aber wirklich fantastisch und atemberaubend und wundervoll sind.

Ich habe irgendwo gelesen, wollte man alle Ausstellungsräume der Eremitage anschauen, müsste man 24 Kilometer zurücklegen. Ich habe heute wahrscheinlich gerade so ein Viertel geschafft. Nach sechs Stunden war ich völlig erledigt und konnte keine neuen Eindrücke mehr aufnehmen. Mit letzter Kraft habe ich mich zurück ins Hostel geschleppt.

Exkurs: „Essen International“ mit Anne

Im Hostel gab es heute morgen Bliny, also russische Pfannkuchen, zum Sattessen. Damit habe ich mir so den Bauch vollgeschlagen, dass es bis zum Abend gereicht hat. Ach und zum Dippen gab es diese eingedickte, süße Kondensmilch (Mama, die magst du doch so gern). Sehr lecker die ganze Sache. (Rebekka, damit habe ich auch das erste Kärtchen von euren kulinarischen Empfehlungen abgehakt).

Zum Abendessen habe ich mir aus einem Restaurant noch einmal Pelmeni mit ins Hostel gebracht. Die hatte ich ja schon in Riga in der Schnellimbissvariante. Die waren auch gut, aber heute war es deutlich besser.

Und meine erste Katastrophenlage bezüglich des Essens hatte ich gestern Abend. Eine Hostelmitarbeiterin hat Okroschka für die Gäste gemacht, eine typische russische, kalte Suppe. Bevor ich den Satz beginnen konnte: „Ich will nur einen kleinen Löffel probieren“, hatte mir die Mitarbeiterin schon eine riesige Schüssel vor die Nase gesetzt. 

Also in der Okroschka waren Eier, Kartoffeln, Gurken, Dill, Würstchen und die Brühe war aus irgendeiner leicht kohlensäurehaltigen Milch gemacht. Die Brühe war das Schlimmste. Danach kamen die Eier. Mir war schlecht im Anschluss. 

 

Dieser Beitrag hat 16 Kommentare

  1. Andrea Dostert

    Hi liebste Anne, ich gestehe: Ich bin gestern das erste mal auf Deiner Seite gewesen und bin meeega baff und schäme ich, dass ich es nicht früher „geschafft“ hatte hier vorbei zu schauen…. Mensch Anne!!! Schon einen Monat auf Tour!?! Und was hast Du nicht schon alles gesehen und erlebt?!? Und Du schaust meeega gut und erholt aus (und das meine ich so wie ich es hier schreibe).

    Übrigens: Deine Unterkunft in St.Petersburg gefällt mir sehr! 🙂 – Und Riga erst!!! (ist nun auch auf meiner „Liste“ gelandet)

    Hab eine gute Weiterreise in die Hauptstadt und den Borschtsch kannst Du ruhig mir überlassen. *leckerschmecker

    Ach ja … einen (wichtigen) Satz Russisch kann ich auch: https://www.youtube.com/watch?v=9eF4gfKXMeY *lach

    1. Anne

      Hey Andrea, aber echt jetzt mal, du schämst dich ganz zurecht. Ne quatsch, ich freue mich total, dass du den Blog gefunden und für gut befunden hast 😀 Vielen Dank auch für das Kompliment. Und jetzt würde ich ja gerne mal wissen, wieso du diesen Satz kannst 😀

      1. Andrea

        Dobroye utro meine Liebste, Du willst wissen wie ich zu diesem Satz kam? 🙂 Nun ja… leider vollkommen unromantisch: Ich mag Alexandra – und besonders die russisch angehauchten Lieder von ihr. – So! Jetzt ist es raus! Ich hatte mein Coming-Out 🙂

        1. Anne

          Manche Sachen behält man besser für sich 😀

          1. Andrea

            DU wolltest es ja wissen…. 😉

  2. Sieglind Bloch

    Hallo Anne,
    Dein Bericht ist wieder eine tolle Morgenlektüre beim Frühstück!
    Weiter viel Spass…

  3. Sieglind Bloch

    Hallo Anne,
    Dein Bericht ist wieder eine tolle Morgenlektüre beim Frühstück,weiter viel Spass…

  4. Oma & Opa

    Ja Anne, Deine Reise nimmt jetzt schon andere Dimensionen an. Alles mächtig gewaltig und Moskau ist noch ein Paar Nummern größer. Geschweige von der Größe des Riesenreiches. Und dann noch die kulinarischen Erlebnisse auf Deiner Reise. Auf alle Fälle gibt es für uns z.Zt. nichts unterhaltsameres als das Studium Deiner Reiseberichte.

    1. Anne

      Das stimmt, der erste Teil war nur Vorgeplänkel, jetzt wird es ernst. Ich habe schon ein bisschen Respekt davor, was mich in Moskau erwarten wird. Es ist schließlich die größte Stadt Europas.

  5. Rebekka

    Diese Russen – klein können die wohl nicht, oder? Das sieht ja alles ziemlich überdimensioniert aus, aber auch sehr beeindruckend. Haha, sehr gut mit den Blinys – vor allem, wenn sie auch noch gut geschmeckt haben. Ach ja, diese Videos Anne, mega!! 😉

    1. Anne

      Ne, das stimmt, es ist alles total wuchtig hier. Aber ja richtig, sehr beeindruckend. Ich habe mich bei dem Video ein bisschen geärgert, dass ich es morgens gemacht habe. Am Nachmittag kann man auf dieser Straße vor Menschen nicht mehr treten. Dann wirds schnell furchtbar.

  6. Die Kuhsine

    Borschtsch esse ich voll gern. Und russische Kondensmilch erst 😋

    Die Bilder sehen super aus. Eigentlich wie unser Hotel Kremlin in Antalya. Das Hostel finde ich sehr cool. Wie lange bist Du noch da?

    1. Anne

      Ich glaube ich würde eher ne tote Ratte probieren, als jemals in meinem Leben wieder Rote Beete zu essen. Ich bin noch bis morgen Abend hier. Nehme den Nachtzug nach Moskau. Da wird dich dann wahrscheinlich alles noch viel mehr an euer Hotel Kremlin in Antalya erinnern 😀

  7. Marie

    Hallo,
    die Bilder sehen trotzdem toll aus. Besonders das Titelbild.
    Das Hostel macht einen ganz abenteuerlichen Eindruck. Das lässt mich ganz neidisch werden.
    Vlt solltest du dich vorerst vermehrt von Kohlenhydraten ernähren. Die wirken appetitlicher 😂😂
    Ich wünsche dir weiterhin eine tolle Zeit.

    1. Anne

      Ja ich wollte die Suppe ja auch ganz bestimmt nicht essen. Aber was soll ich machen, ich will ja auch nicht unhöflich wirken. Wenigstens war es kein Borschtsch. Da hätte ich mich definitiv geweigert 🙂

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