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Nachtzug nach Moskau

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Jap, ich habe meine erste Zugfahrt mit der berühmten russischen Eisenbahn absolviert – transsibirisch war das aber noch nicht, ging schließlich nur von Sankt Petersburg nach Moskau. Bevor ich euch mehr von der Zugfahrt erzähle, hier noch die beiden letzten Tage in Sankt Petersburg.

Nach dem recht stressigen Besuch in der Eremitage habe ich den Donnerstag ruhiger angehen lassen. Zuerst war ich an der Dreifaltigkeitskathedrale mit ihrer Sternenkuppel, die ich immer schon vom Hostel aus recht deutlich gesehen hatte. Allerdings muss das irgendwie eine optische Täuschung gewesen sein. Der Weg dorthin war noch ewig lang.

Im Anschluss bin ich an der Newa spazieren gegangen. Das ist gar nicht so einfach, denn man muss ständig Verkäufern ausweichen, die einem Bootstouren andrehen wollen. Die rennen dort in Scharen mit Schildern und Lautsprechern rum. Interessanterweise scheint bislang noch kein einziger Bootstourverkäufer –  im Angesicht der Massen ausländischer Touristen – auf die Idee gekommen zu sein, wenigstens ein kleines Zettelchen mit englischen Angaben zur angebotenen Bootstour mit sich zu führen. Der erste, der das macht, wird ein Vermögen verdienen.

Besonders erfreut habe ich mich an diesem Anblick, auch wenn er wahrscheinlich in keinem Reiseführer zu finden ist. (Hier in Moskau wohne ich übrigens gleich neben einem „Küchenland“).

Deutsches Hausgeräte-Geschäft in Sankt Petersburg

Am Abend wurden uns von einer netten Hostelmitarbeiterin Waffeln serviert. So viel freies Essen wie hier in Russland hatte ich noch nirgendwo. Das ist eben die russische Gastfreundschaft (An meinem ersten Abend in Moskau gab es im Hostel kostenlose Hotdogs).

So, Tag beendet. An meinem letzten Tag in Sankt Petersburg, das war der Freitag, habe ich mir die Metro angeguckt. *Nerdmodus an* Nimmt man die Durchschnittsstiefe aller Haltestellen, soll Sankt Petersburg wohl die tiefste U-Bahn der Welt haben. Das liegt an dem bröseligen Boden unter der Stadt, da mussten sie eben weit runter gehen. 

Die tiefste Station in Sankt Petersburg (Linie 5: Admiralteyskaya) liegt fast 90 Meter unter der Erde. Die tiefste Station der Welt ist aber in Kiew mit mehr als 100 Metern. Die tiefste Station in Deutschland gibt es wohl in Hamburg mit 26 Metern. *Nerdmodus aus*

Ich fand die Rolltreppe der Admiralteskaya auf jeden Fall sehr abenteuerlich. Ich habe auch ein Video gedreht. Aber das war dann doch ein wenig langatmig, weil die Fahrt auf der Rolltreppe bestimmt so drei Minuten dauert. Stattdessen hier Fotos von verschiedenen Stationen, die nicht nur tief, sondern auch sehr prachtvoll sind. 

Am Abend gegen 22 Uhr ging mein Zug. Ich konnte netterweise in meinem Hostel bleiben, bis ich zum Bahnhof musste. Kurz vor meinem Abmarsch wurde ich mit der von mir gefürchteten Roten Bete konfrontiert, in Salatform. Ich habe mich taub gestellt, als zum Essen gerufen wurde.

Am Bahnhof war trotz später Stunde die Hölle los. Nachtzüge sind in Russland etwas total Gängiges, glaube ich. Ich habe Zug und Abteil gleich gefunden. Man muss vor dem Waggon warten bis die Zugbegleiter die Türen öffnen. Sie kontrollieren Ausweise und Tickets vor dem Zustieg genauestens. 

Ich hatte ein Ticket für die 3. Klasse. Während es in der 1. Klasse geschlossene Zweierkabinen und in der 2. Klasse geschlossene Viererkabinen gibt, ist die 3. Klasse ein Großraumabteil mit 54 Betten. Allerdings sind jeweils sechs Betten durch eine kleine Trennwand abgeteilt. 

3. Klasse in einem russischen Nachtzug
Der Blick ins Abteil von meinem Bett aus

In meiner „Nische“ reisten ein junger Russe, ein älterer Russe und eine russische Oma mit ihren zwei Enkelkindern. Der ältere Russe half mir, mein Gepäck zu verstauen und war sehr darauf bedacht, dass meine Sachen nicht auf den Boden fallen und dreckig werden. Mit dem jungen Russen hatte ich keinen Kontakt. 

Die ältere Frau redete mehrfach munter auf Russisch mit mir los und störte sich nicht an meinem „Ja ne ponimaju, ja ne ponimaju“ (Ich verstehe nicht). Als ich sie dann schließlich in meinem katastrophalen Russisch nach der Toilette fragte, antwortete sie mir auf einmal in ziemlich gutem Englisch. Das soll mal einer verstehen.

Als der Zug anrollte, setzte gleich ein geschäftiges Treiben im Abteil ein. Alle kannten das Prozedere. Schlappen und Schlafanzug auspacken, Tische umklappen, Betten beziehen. Nur ich war total unvorbereitet. Ich hatte irgendwie nicht daran gedacht, mir eine Tasche für die Nacht zu packen. Und mein Rucksack war unter der Liege verstaut und ziemlich eingeklemmt. Ich habe eine Jogginghose mit Mühe und Not rausgezogen und es darauf beruhen lassen.

Ich war sehr froh, dass ich die untere Liege hatte. Wie ihr auf dem Foto oben seht, gibt es keine Leiter für die obere Liege. Man braucht also eine Turnerausbildung um in das Bett zu klettern. Ich habe gleich in meinen restlichen Tickets nachgeguckt. Ich habe fast immer die untere Liege, bis auf einmal. Das wird was werden.

Es war sehr angenehm beim Ruckeln des Zuges einzuschlafen. Nur gegen Morgen wurde die Liege etwas hart. Gegen 5:30 Uhr trudelten wir in Moskau ein. Ich habe mich nicht getraut, schon um 6 Uhr im Hostel aufzutauchen, also habe ich erstmal meinen Rucksack weggeschlossen und bin im und um den Bahnhof gestreunt. Das erste Gebäude, das ich vor dem Bahnhof gesehen habe, kenne ich schon aus zwei Städten: Warschau und Riga. Hier nun die Moskauer Variante.

Gegen 8 Uhr habe ich mich auf den Weg zum Hostel gemacht. Mit der U-Bahn. Die war zum Glück nicht so voll. Sonst ist das mit dem Gepäck immer so blöd. Das Hostel ist recht schön in der Innenstadt gelegen. Der Rote Platz ist zu Fuß etwa eine Viertel Stunde entfernt, die Straße selbst ist aber sehr ruhig. Ich habe auf dem Hinweg auch schon ein paar schöne Häuser gesehen.

Im Hostel konnte ich zwar noch nicht meinen Schlafsaal beziehen, aber ich durfte mich schon in den Gemeinschaftsräumen niederlassen. Die nächsten Stunden habe ich auf dem Sofa erst damit gekämpft nicht einzuschlafen und dann wurde ich leider von einem kleinen Migräneanfall heimgesucht. Da hilft nur frische Luft, also bin ich ein wenig spazieren gegangen. Als ich in mein Zimmer durfte, habe ich erst einmal ein paar Stunden geschlafen, sodass mein Tag nicht so produktiv war. 

Abends bin ich auf der Suche nach einem Supermarkt in ein riesiges Polizeiaufgebot geraten. In Moskau demonstrieren Bürger seit einer Weile für freie und faire Regionalwahlen. Die Demos werden aber regelmäßig verboten und Oppositionelle verhaftet. Demonstranten habe ich gar keine gesehen, weil der Versammlungsort auch eigentlich woanders war. Ich frage mich, wie es dort aussah, wenn bei uns schon so viel Polizei war.

Ich weiß nicht, wie ich jetzt den Bogen spannen soll von dieser düsteren Seite Russlands zu meinen Eindrücken heute. Ich mach’s jetzt einfach ganz platt: Ich finde Moskau wahnsinnig toll. Viel besser als Sankt Petersburg. In Sankt Petersburg ist alles einfach groß und mächtig aber auch oft gleichförmig und phantasielos. Man merkt irgendwie, dass es eine Planstadt ist. 

Hier in Moskau gibt es auch viele große und mächtige Gebäude (Moskau ist schließlich mit mehr als zwölf Millionen Einwohnern die größte Stadt Europas). Aber alles ist abwechslungsreicher und das Leben wirkt entspannter. 

Mein erster Anlaufpunkt heute war natürlich der Rote Platz mit Kreml und Basilius-Kathedrale. Ich war ganz aufgeregt, als ich schließlich um eine Ecke bog und sie vor mir stand. Es ist eines dieser Gebäude, die man so gut kennt, obwohl man nie da war. Weil man sie ständig auf Fotos sieht. Jetzt habe ich meine eigenen Fotos. Von fern bis nah.

 

Der Rote Platz selbst war leider zu einem großen Teil abgesperrt, weil dort Ende (!) des Monats irgendein Militärparadenfestivaldings stattfindet. Deshalb hier nur zwei Fotos von so drumherum.

Ich habe mich dagegen entschieden, das Kremlgelände zu besichtigen. Gestern Abend haben mir zwei Französinnen erzählt, sie standen zwei Stunden für Karten an. Dazu hatte ich keine Lust. Und heute habe ich einen Niederländer getroffen, der auch schon in Sankt Petersburg in meinem Hostel war. Der meinte, sie wollten heute in den Kreml aber haben die Aktion abgebrochen, weil die Ticketautomaten kaputt waren und das Anstehen so noch länger als normalerweise gedauert hätte. Ich weiß nicht, ob ich es die nächsten Tage mal versuchen werde. Es gibt auch so jede Menge zu sehen. 

Gleich neben dem Roten Platz ist der Zaryadye Park. In dem kann man ganz viel machen. Es gibt zum Beispiel einen Schauwald, eine Pflanzenausstellung, eine Eishöhle und mehrere Aussichtsstege. Manche Sachen, wie die Eishöhle, kosten Eintritt, aber auch ohne Geld lohnt sich der Park, alleine schon wegen der Aussicht.

Auf der anderen Seite des Roten Platzes ist auch ein tolles städtebauliches Arrangement. Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Also zum einen ist da das historische Museum von Moskau neben dem prunkvollen Four Seasons Hotel. Daneben ist ein blumenbeschmückter Park. Daneben ein Springbrunnen-Kanal-Komplex. Darüber ist ein mit Rabatten und Bänken ausgestattetes Flachdach. Darunter ist ein Einkaufszentrum. Also ein wilder Mix an Gebäuden mit völlig unterschiedlicher Funktion und Architektur.

Und der Höhepunkt des Tages: Ich habe in dem Einkaufszentrum einen Cinnabon gefunden. Für alle Unwissenden: Das ist eigentlich eine amerikanische Kette, die für ihre Zimtschnecken berühmt ist. Ich liiiebe diese Dinger. In keinem Land außerhalb der USA habe ich bislang Cinnabon gefunden. Und nun ausgerechnet in Russland. Ich gehe sehr glücklich ins Bett. 

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Rebekka

    Oh wow, wie toll – die erste Zugfahrt! Toll, dass alles so gut geklappt hat und ach ja, ich liebe U-Bahnstationen. War in Kiew schon sehr beeindruckt. Moskau klingt auch sehr spannend! Freue mich schon auf Februar! Freuen sich die Russen eigentlich, wenn du versuchst russisch zu sprechen? Cinnabon gibt’s auch auf Malta… 😉

    1. Anne

      Naja, meistens sage ich ja nur Bitte, Danke und Guten Tag. Wenn ich was anderes versuche, verstehen sie mich eh nicht. Richtige Freude kommt da also auf beiden Seiten nicht auf 😀

  2. Die Kuhsine

    Wow, sieht toll aus! Fast so schön wie im Hotel Kremlin in Antalya 😉

    Der wichtigste Hinweis kam zum Schluss. Wer hätte gedacht, dass es Cinnabon bis nach Moskau schafft, aber nicht nach Berlin (gibt es übrigens auch in London und gab es in Tel Aviv)? Allein dafür lohnt sich ja ne Reise. Wie sind die Preise in Moskau? Wirklich so teuer?

    Bei den Demos wurden wohl mindestens 600 Leute verhaftet.

    1. Anne

      Ich finde Moskau eigentlich nicht so teuer, aber ich kann nur von Supermärkten und Food Court Essen sprechen. Ich mache ja kein Shopping oder gehe in teure Restaurants. Die Supermarktpreise liegen etwas unter den deutschen Preisen.
      Und was Cinnabon angeht: In London war ich schon länger nicht mehr als in den USA und dass es in Tel Aviv Cinnabon gibt, hätte ja während der Reise mal kommuniziert werden können 😀

  3. Oma & Opa

    Aber hallo, Überraschung gelungen. Wollten gerade zu Bett gehen, da habe ich doch noch Deinen neuen Reisebericht gesehen und nun sind wir wieder putzmunter. Sind ja wieder herrliche Aufnahmen und erst die ausführlichen Schilderungen Deiner Erlebnisse. Haben uns schon Gedanken gemacht, da wir auch von den Demos gehört haben und wissen, dass die Staatsmacht in solchen Fällen nicht zimperlich verfährt. Aber wie sagt der Kölner “ et id noch immer allet
    jut jegange “ Trotzdem pass gut auf Dich auf und wir bleiben wie immer gespannt und neugierig. Gute Nacht

    1. Anne

      Ja versprochen, ich passe gut auf mich auf und wandele auch nicht nachts herum 🙂

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