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Rehe, wenn sie losgelassen

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  • Beitrags-Kategorie:Afrika / Asien

Ich sitze gerade in der Umkleidekabine meines Flughafenhostels in Narita, um diese letzten Zeilen aus Japan zu schreiben. Ich erspare mir die Tiraden darüber, wie schnell die Zeit schon wieder vergangen ist. Aber die Zeit ist so schnell vergangen. 

Und ich habe mich hier auch schon ewig nicht mehr blicken lassen. Das hat aber gute – also besser gesagt unschöne – Gründe, wie ihr noch erfahren werdet.

Fangen wir mit den schönen Dingen an, und das war in dem Fall Kyoto. Die alte Kaiserstadt hat mir richtig gut gefallen. Es gibt unzählige Tempel und Schreine, kleine Gässchen mit Holzhäusern und wenn man Glück hat, sieht man sogar eine Geisha durch diese Sträßchen wandern. Eine echte Geisha. Unechte sieht man in Kyoto überall, denn Touristen können sich in Kostümgeschäften als solche für ihre Stadtausflüge verkleiden.

Ich zog an meinem ersten Tag in Kyoto los, um nach all dem Genannten Ausschau zu halten. 

Die Straße vor meinem Hostel, auch ein recht kleines Gässchen

Das Zentrum von Kyoto lässt sich ganz gut zu Fuß entdecken, da es nicht allzu groß ist. Die Sonne war natürlich wie immer ein erheblicher Schwitzfaktor. 

Ich lief durch die Straßen, bildete mir auch ein, einmal eine echte Geisha gesehen zu haben und steuerte den buddhistischen Kiyomizu-dera Tempel an, der ursprünglich im 8. Jahrhundert auf dem Berg Otowa gegründet wurde. Die Originalgebäude sind heute allerdings nicht mehr erhalten. 

Neben mir hatten sehr viele andere Menschen die Idee, diesen Tempel zu besuchen. Die schmale Straße hinauf auf den Berg, mit Geschäften und Ständen auf beiden Seiten, füllte sich immer mehr.

Oben angekommen, musste man eine kleine Eintrittsgebühr zahlen, was sich aber lohnte, allein schon wegen des Ausblicks auf die Stadt. Und man konnte durch den Wald zu verschiedenen Tempelgebäuden wandern. Die Natur war ja bislang auf meiner Japanreise deutlich zu kurz gekommen.

Durch weitere Pfade und Gassen schlängelte ich mir meinen Weg wieder nach unten, manchmal ganz einsam, manchmal im Touristenstrom.

Ich landete schließlich am Yasaka-Schrein. Das ist ein Shinto-Schrein und Shinto wiederum ist sowas wie die Nationalreligion der Japaner. Shintoismus und Buddhismus sind aber sehr nah beieinander.

Der Yasaka-Schrein jedenfalls ist im Ursprung noch älter als der Kiyomizu-dera, nämlich aus dem 7. Jahrhundert. 

Auf dem letzten Bild könnt ihr sehen, dass hinter dem Schrein eine ganz andere Seite von Kyoto beginnt: Autos, hohe Häuser, breite Straßen und Geschäfte. Da bin ich auch noch ein wenig langgelaufen, am Kamo (Fluss) vorbeigekommen und an einem idyllischen Kanal, bevor ich mich auf den langen Heimweg machte.

Ein paar Schnitzelhappen habe ich mir noch gegönnt. Habe ich das schon erzählt, dass Schnitzel in Japan äußerst populär ist? Heißt hier aber Tonkatsu. Das hört sich doch gleich viel exotischer an.

Am nächsten Tag stand wieder ein Shinto-Schrein auf dem Programm. Diesmal ein richtig spektakulärer. Dafür fuhr ich erst einmal mit der Bahn in den Stadtteil Fushimi, wo der Schrein zu finden ist. 

Der Fushimi Inari-Taisha ist der Gottheit der Fruchtbarkeit, Inari, gewidmet. So wie ich das verstanden habe, gibt es sehr viele Inari-Schreine in Japan, aber dieser ist der bedeutendste.

Ich muss ja zugeben, dass ich in Religion nicht so bewandert bin und mir die ganzen Feinheiten von Buddhismus, Hinduismus, Shintoismus nicht bekannt sind. Aber auch für die nichtsahnende Touristin ist der Schrein ein Erlebnis. Und das liegt an den Torii. 

Torii sind tatsächlich Tore (ich weiß nicht, ob es da eine Wortverwandtschaft gibt), die am Eingang von Schreinen zu finden sind. So wie oben auf dem ersten Bild zum Beispiel. Der Fushimi-Schrein gibt sich aber nicht mit einem oder zwei Toren zufrieden. Es gibt tausende dieser Tore. Sie stehen dicht an dicht auf den Pfaden, die sich den Berg hinaufziehen. 

Auch hier war viel Fußverkehr, aber je weiter ich nach oben lief, desto mehr lichtete sich das Getümmel.

Unterwegs kam ich an kleineren Schreinen vorbei und oben auf dem Gipfel war dann auch nochmal einer. Mit der ganzen Symbolik war ich aber leicht überfordert. Ich weiß nur, dass der Fuchs der Bote von Inari ist. Damit müssen wir uns jetzt zufriedengeben. Hier stattdessen noch ein Ausblick, das kann nie schaden.

Zurück im Hostel lief ich Miquele aus Italien und Trevor aus den USA zufällig im Aufenthaltsraum über den Weg. Miquele hatte ich schon am Vortag kennengelernt. Die beiden fragten mich, ob ich Lust hätte, mit ihnen zusammen Gyoza essen zu gehen. Auf jeden Fall. Gyoza standen noch auf meiner Liste. Das ist die japanische Variante von gefüllten Teigtaschen (mit Fleisch, Gemüse oder Shrimps).

Wir mussten dann eine halbe Stunde bis zu dem Restaurant laufen und uns vor der Tür in die Schlange einreihen. Ich glaube, die Japaner können ohne ihre Schlangen gar nicht leben. Die Restaurants hier sind meist recht klein und es ist völlig normal, dass man für einen Platz eben eine Weile wartet.

So lange standen wir dann im Endeffekt aber gar nicht – vielleicht eine Viertelstunde. Dann durften wir an der Bar Platz nehmen. Die Gyozas waren super lecker, kein Wunder, das Restaurant hat sich darauf spezialisiert und bietet nichts anderes an.

Gyoza, Reis, eine kräftige Brühe und eingelegte Gurken

Nach dem kulinarischen Highlight meines Kyoto-Aufenthalts folgte am nächsten Tag noch das tierische. Ich wollte mit dem Zug nach Nara. Am Bahnhof kämpfte ich erst einmal mit dem Ticketverkauf am Automaten. Eine sehr freundliche Mitarbeiterin übernahm das aber für mich. 

Wenn man mit dem Expresszug fahren will, braucht man hier zwei Tickets. Eine Basisfahrkarte und dann noch das zusätzliche Expressticket. Dieses System hat mich häufiger mal verwirrt.

Die Fahrt nach Nara südlich von Kyoto dauerte eine knappe Stunde. Als ich ankam, stolperte ich vom Bahnhof erst einmal in eine Shopping Mall und von da über ein paar obligatorische Schreine.

Aber dafür war ich nicht nach Nara gekommen. Ich war aus dem selben Grund nach Nara gekommen, wie alle anderen auch. Wegen der Rehe natürlich. Die Rehe von Nara gelten als heilig, weil es einen Mythos gibt, nachdem eine Gottheit mal mit einem Reh nach Nara geritten ist. Und die jetzigen Rehe sind die Nachfahren dieses göttlichen Rehs. 

Deswegen dürfen sich die Rehe in Nara ungestört vermehren und machen, was sie wollen. Und es sind viele Rehe. Etwa 1.500 habe ich irgendwo gelesen. 

Ich war dann trotzdem einigermaßen überrascht, als ich das erste Reh mitten in der Stadt gesehen habe. Ich dachte, dass die alle etwas mehr zurückgezogen im angrenzenden Park leben. Pustekuchen.

Gut, sie springen jetzt nicht gerade auf der Straße rum, aber vor Menschen zum Beispiel haben sie weder Angst noch besonderen Respekt. Man kann sie sogar streicheln. Ich habe auch eins gestreichelt und es hat mir im Gegenzug am Hosenbein geleckt. Bestimmt normale Reh-Etikette. 

Das war schon alles interessant, in Deutschland sehe ich ja Rehe eigentlich immer nur nachts als Straßenschreck. 

Füttern kann man die Tiere auch. Mit speziellen Rehcrackern, die an verschiedenen Ständen verkauft werden. Die Rehe wissen natürlich auch, wo die Cracker verkauft werden und halten sich da besonders gerne auf. Und immer, wenn sich jemand an den Stand stellt, stellt sich das ein oder andere Reh mit in die Schlange. Nur um sicherzugehen.

Ich hatte gerade noch genug Münzen für einen Packen Cracker übrig. Der hielt ungefähr zehn Sekunden lang. Ich kann euch sagen, Rehe sind wirklich nicht zimperlich. 

Als ich das Verpackungsband nicht schnell genug abbekam, begannen mir die Rehe am T-Shirt zu knabbern und mich dezent anzustupsen. Das glorreiche Selfie, dass ich beim Füttern knipsen wollte, ging leider in diesem Getümmel in die Hose.

Als meine Cracker alle waren, setzte ich mich gemütlich auf eine Bank (die Rehe verstanden zum Glück sofort, wenn man crackerlos war) und beobachtete die Fütterungsversuche anderer Menschen. Einige bekamen es bei dem tierischen Ansturm etwas mit der Angst zu tun, was dazu führte, dass man häufiger mal rennende Leute sah, die von einer Horde Rehe verfolgt wurden. Das war ziemlich amüsant.

Ein "Rennfoto" habe ich nicht, aber so sah die Fütterung aus sicherer Entfernung aus

Ich war auch noch kurz am Todai-ji mit seinem großen Südtor. Auch vor diesem buddhistischen Tempel machen die Rehe natürlich nicht Halt.

Als ich mich wieder auf den Rückweg zum Bahnhof machte, wurde es schon langsam dunkel. Ich lief dabei durch eine Straße nahe des Tempels, in der gerade die Essensbuden aufmachten.

Das war definitiv ein kurioser Nachmittag in Nara. Als ich nach einer Stunde wieder zurück in Kyoto war, war es vollends dunkel und ich konnte am Bahnhof noch den schön beleuchteten Kyoto Tower ablichten, den ich vom Hostel aus immer in der Ferne gesehen hatte.

Im Hostel erwartete mich dann auch eine nervige Überraschung. Da war gerade eine riesige französische Schulklasse im Inbegriff, einzuchecken. Schulklassen in Hostels sind ja mein absoluter Hass. Die belegen einfach alles. Und im Aufenthaltsraum kann man dann gezwungenerweise irgendwelchen Vorträgen lauschen.

Aber am nächsten Morgen war sowieso mein Weiterreisetag. Also musste ich nicht zu sehr leiden. Meine Vorsätze, immer schön mit dem billigen Bus durch Japan zu reisen, warf ich erneut über Bord. Nicht kleckern sondern klotzen, ich gönnte mir wieder eine Fahrt im Shinkansen nach Tokio. 

Es ist aber auch wirklich krass, wie gut dieses Netz ist. Das müsst ihr euch mal vorstellen: Von Kyoto nach Tokio fahren die Superschnellzüge mindestens im Zehnminutentakt. Bei meiner Abfahrt war der nächste Zug sogar drei Minuten später terminiert. Das wäre ja wie, wenn es alle paar Minuten einen ICE von Berlin nach Hamburg gäbe.

In Tokio angekommen, war mein Hostel nur noch eine 15-minütige U-Bahnfahrt und einen 10-minütigen Fußmarsch entfernt. Da war ich also, in der größten Stadt der Welt. 40 Millionen Einwohner. Wahnsinn. 

Die Straße vorm Hostel sah zum Glück nicht nach Millionenmetropole aus

Mein erstes Ausflugsziel in Tokio war die International Health Care Clinic (Internationale Gesundheitsklinik). Das war richtig interaktiv. Ich musste einen Fragebogen ausfüllen, mir wurden Temperatur und Blutdruck gemessen, ich durfte mit einer Ärztin sprechen und Tabletten bekam ich sogar auch.

Grrrrrhhhh. Ich hatte mir tatsächlich die zweite Mandelentzündung meiner Reise eingefangen. Ich bin wirklich ratlos und habe keine Ahnung, wie ich das schon wieder angestellt habe. Die Schmerzen hatten schon in Kyoto angefangen, aber ich hatte diesmal echt gedacht, dass es nur Erkältungshalsschmerzen sind. 

Aber es war immer schlimmer geworden und deswegen hatte ich schon im Zug nach Tokio einen Termin in der Klinik ausgemacht. Die Mitarbeiter waren alle super nett. Am Anfang wurde ich gleich mal isoliert, weil natürlich gleich die Corona-Glocken schrillten. Aber als dann klar wurde, dass das kein Corona ist, durfte ich auch ins richtige Wartezimmer.

Nach diesem Ausflug verkroch ich mich gleich wieder im Bett und kam die nächsten Tage nicht mehr hervor. Ich war wirklich am Boden zerstört. Ich hatte mir so viel für Tokio vorgenommen, hatte extra eine ganze Woche eingeplant. Stattdessen kämpfte ich damit, etwas Wasser runterzubekommen. Alles, was ich trinken wollte, kam zur Nase wieder raus.

Das Antibiotikum wirkte auch nicht. Dienstagmorgen war ich in der Klinik gewesen. Am Donnerstagnachmittag entschied ich mich, um einen Folgetermin für den nächsten Tag zu bitten. Was für ein Glück, dass ich das nicht bis Freitagmorgen aufgeschoben hatte. Denn auf der Website sah ich, dass die Klinik am Freitag wegen Feiertag geschlossen sein würde.

Noch mehr Glück, dass ich auf meine Mail hin noch einen Termin für Donnerstagabend bekam. Ich raffte mich also auf, um die Fahrt zur Ärztin ein zweites Mal in Angriff zu nehmen.

Bahnhofsvorplatz nahe der Klinik

Die meinte diesmal, dass sie am liebsten eine Bakterienkulturbestimmung machen würde. Aber das wäre teuer gewesen und ich muss ja versicherungstechnisch in Vorkasse treten. Außerdem hätte es eine Woche bis zu einem Ergebnis gedauert. Stattdessen erzählte ich ihr von meinem Lieblingsantibiotikum, das mich bislang noch nie im Stich gelassen hat. Jaja, so weit ist es gekommen, dass man ein Lieblingsantibiotikum hat.

Jedenfalls googelte sie ein bisschen und fand heraus, dass es ein ähnliches Präparat auch in Japan gibt. Davon verschrieb sie mir die Elefantendosis. In Japan werden wohl eigentlich geringere Dosierungen verabreicht als in Europa, erklärte sie mir.

Diesmal bekam ich statt Tabletten ein Rezept, mit dem ich in die Apotheke musste. Die Route druckte mir die Praxis netterweise aus. Der Laden erinnerte mich mit seinen Regalen voller Schächtelchen bis an die Decke stark an Mr. Ollivanders Zauberstabladen.

Ich musste erst ein Formular ausfüllen und dann auf einem Stuhl Platz nehmen. Irgendwann wurde ich aufgerufen und bekam eine Papiertüte in die Hand gedrückt. Man bekommt hier keine Tablettenpackungen sondern abgezählte Tabletten.

Wieder mal ging es nach diesen Strapazen für mich gleich zurück in mein Bett. Ich war übrigens in einem 18-Bett-Zimmer untergebracht, aber es war tatsächlich eines der leisesten Zimmer meiner bisherigen Reise. Und es waren Kapselbetten, sodass ich mich wirklich gut zurückziehen konnte.

Am Freitag geschah das Wunder von Tokio. Mit mir ging es wirklich im Stundentakt bergauf. Ich konnte wieder trinken, die Halsschmerzen gingen weg, ich konnte sogar wieder einigermaßen sprechen. (Hatte ich gar nicht erwähnt, ich konnte drei Tage nicht sprechen.) 

Ich war so erleichtert. Ich hatte gedanklich schon damit begonnen, meine Marokko-Reise zu vergessen. Aber jetzt, wo es aufwärts ging, wollte ich wenigstens noch ein ganz kleines Abenteuer in Tokio erleben. Irgendetwas, was typisch Tokio ist.

Ich entschied mich für die Takeshita-Straße im hippen Stadtteil Shibuya, der gleich neben meinem Viertel Shinjuku liegt.

 

Die Takeshita-Straße ist für ihre bunten, verrückten Geschäfte und Cafés  bekannt. Es gibt dort zum Beispiel alle möglichen Tiercafés: Katzen, Hunde, Otter, Meerschweinchen. 

Die Straße war gut besucht und ich habe es einfach genossen, nach so vielen Tagen Nichtstun und Isolation, herumzubummeln.

Über dem Eingang zur Straße hing eine Videoleinwand. Die war ein sehr beliebtes Fotomotiv. Guckt mal, könnt ihr mich auf dem Foto entdecken?

Mit der Straßenbesichtigung ließ ich es gut sein. Das muss man erst einmal schaffen: Eine Woche in Tokio und alles was ich gesehen habe, war mein Hostel, eine Einkaufsstraße, ein paar Metrostationen und die International Health Care Clinic. Das macht mich nach wie vor fertig.

Aber ich kann es nicht ändern. Hauptsache, es ging wieder aufwärts mit mir. Zurück im Hostel konnte ich sogar ein kleines Pläuschchen mit einem Luxemburger halten. Einen Tag vorher undenkbar.

Fun Fact: Im Aufenthaltsraum des Hostels wurden jeden Abend Animes gezeigt

Am nächsten Vormittag verließ ich Tokio. Mein Flug ging zwar erst einen Tag später, aber ich wollte trotzdem schon einmal zum Flughafen, weil der so weit von Tokio entfernt ist.

Ich hatte wieder einige Probleme mit dem Zugticketkauf und zahlte im Endeffekt wahrscheinlich einiges zu viel. Der Zug brauchte eine Stunde bis nach Narita, wo einer der zwei für Tokio zuständigen Flughäfen zu finden ist.

Ich hatte natürlich nicht vor, in der Abflughalle zu kampieren. Ich hatte mir ein Bett in einem Flughafenhostel gebucht, das direkt im Terminal 2 untergebracht ist. Das war nicht nur praktisch, sondern auch sehr aufregend, im Flughafen zu wohnen.

Zum allerersten Mal in meiner Reisekarriere ist es mir übrigens passiert, dass ich das Hostel für den falschen Monat gebucht hatte. Das kam beim Check-in raus. Aber zum Glück war noch ein Bett für den richtigen Monat frei.

Von der Rezeption des Hotels gingen zwei Türen weg: links für die Männer, rechts für die Frauen. Da kam man zuerst in einen Umkleideraum mit Spinden, dann in den Waschraum und von da ging eine Tür in den einzigen Schlafsaal ab. Der war aber riesig. Sowas habe ich auch noch nicht gesehen.

Eine ewig lange Kapselbettenreihe

Ich stellte nur schnell meinen Kram ab und ging dann auf ausführliche Entdeckungstour. Ich habe vielleicht nicht viel von Tokio gesehen, aber ich kann jetzt Gästeführungen über den Flughafen Tokio-Narita anbieten.

Ich beschäftigte mich auch eine Weile mit der Frage, was meine Henkersmahlzeit in Japan sein sollte und fand schließlich ein Restaurant, das eine Kombination aus meinen beiden Lieblingsgerichten anbot. Wenn ich das Bild angucke, läuft mir schon wieder das Wasser im Mund zusammen.

Ramen und Gyoza

Viele Restaurants in Japan haben übrigens eine äußerst praktische Methode, ihre Gerichte darzustellen – nämlich in Form von Plastiknachbauten. Da muss man dann gar kein Japanisch verstehen, um zu wissen, was auf den Teller kommt.

Ich hatte am Flughafen den besten Nachmittag seit meiner Ankunft in Tokio. Abends im Hostel fühlte ich mich dann wie in einer Frauenhaftanstalt. An der Rezeption bekommt jeder Gast eine Tasche mit Handtüchern und Schlappen und einem grauen Nachthemd (auch die Männer, habe ich gesehen). Und jetzt liefen da diese ganzen Frauen in ihren Einheitsschlappen und Nachthemden rum und dazu noch dieser Umkleideraum mit seinen Spinden. 

Mein Flug war für den nächsten Morgen um 9:15 Uhr angesetzt. Und da ich ja schon am Flughafen war, klingelte mein Wecker erst um 6 Uhr. Wäre ich in der Stadt geblieben, hätte ich bestimmt um 3 Uhr aufstehen müssen.

Auf dem Weg zum Check-in bewunderte ich einen Jungen, der einen E-Koffer manövrierte. Der Koffer hatte einen Motor, sodass der Junge sich auf den Koffer setzen und damit über den Flughafen flitzen konnte. Das will ich auch.

Und dann stand Flug 1 meiner insgesamt drei Flüge an, die alle Pi mal Daumen sieben Stunden lang waren. Von Tokio-Narita ging es nach Bangkok-Suvarnabhumi. Aus irgendeinem mir nicht ersichtlichen Grund, parkte der Flieger in Bangkok am Cargoterminal, sodass wir mit dem Bus zum Passagierterminal gekarrt werden mussten. Ich bin ja keine Freundin von Busfahrten auf dem Rollfeld.

Weil ich Teil 1 und Teil 2 meiner Flugreise separat voneinander gebucht hatte, musste ich in Bangkok meinen Rucksack abholen und auch durch die Immigration. Das verlief aber alles einigermaßen flott und problemlos. 

Und die Zeit verging auch ziemlich schnell, obwohl ich insgesamt acht Stunden Aufenthalt hatte. Eine halbe Stunde davon verbrachte ich hier. Das hat mich sehr gefreut, dass die das in Bangkok haben. 

Flug Nummer 2 war dann von Bangkok nach Doha. Zu dem fällt mir überhaupt nichts Erwähnenswertes ein. In Doha hatte ich nur rund 90 Minuten Aufenthalt. Da war praktisch schon wieder Zeit zum Boarden, als ich am Gate war. Der Flughafen hat einen sehr spektakulären Dschungelbereich.

Im dritten Schritt flog ich von Doha nach Casablanca. Ich habe es tatsächlich geschafft, die meiste Zeit zu verschlafen. Am Ende war noch etwas Zeit für „E-Mail für dich“. Den Film habe ich ja seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.

Nach mehr als 30 Stunden auf den Beinen stand ich dann schließlich um kurz vor 8 Uhr am Morgen vor dem marokkanischen Einreisebeamten. Der wollte doch tatsächlich von mir wissen, was ich beruflich mache. Das bin ich noch nie gefragt worden. Nur wenn es Einreisekarten gibt, musste ich das bislang ausfüllen.

Jedenfalls schaltete ich nicht schnell genug und sagte Journalistin, was dem Beamten gar nicht gefiel. Er fragte mich dann ziemlich aus und notierte sich die ganze Zeit irgendwelche Sachen und tippte am Computer.

Am Ende bekam ich doch meinen Stempel in den Pass, aber der hat eine merkwürdige, handgeschriebene Nummer als Beiwerk und jetzt frage ich mich, ob das noch ein Nachspiel haben wird.

Endlich geschafft: Erster Blick auf Marokko vor dem Flughafen

Die Taxibesorgung war total einfach. Mein Touranbieter hatte mich da etwas kirre gemacht. So von wegen: Buchen Sie eine Flughafenabholung mit uns, es sei denn, sie wollen richtig abenteuerlich sein und tatsächlich selbst einen Transport finden. 

Der Taxifahrer setzte mich auch problemlos in meinem Hotel ab, wo ich inzwischen auf dem Bett im Hotelzimmer sitze, um diese letzten Zeilen zu tippen. Der Bericht war ein Flickwerk, verteilt über die letzten zwei Tage.

Neben mir sitzt Rose aus Australien, die auch die Gruppenreise „Highlights von Marokko“ mitmachen wird. Wir teilen uns ein Zimmer. Ansonsten habe ich noch keine anderen Teilnehmer kennengelernt. Heute Abend um 18 Uhr ist allgemeines Kennenlernen. Darüber werde ich dann beim nächsten Mal berichten. 

Und bevor ich für heute zum Ende komme, steht natürlich noch mein Japan-Fazit an. Hach ja. Als ich in Japan ankam, hatte ich Heimweh nach Kambodscha. Jetzt bin ich in Marokko und habe Heimweh nach Japan. 

Die ersten zweieinhalb Wochen meiner Reise waren so perfekt gewesen. Es hatte einfach alles gestimmt: ein aufregendes neues Land, wieder mehr Ordnung und Struktur nach dem trubeligen Südostasien, schöne Städte mit ganz viel Geschichte, immer wieder eine Prise Kurioses, tolle Hostels und ganz viele tolle Menschen, die ich getroffen habe. 

Es war so einfach, neue Leute kennenzulernen. Ich glaube, das war  – wie damals in Korea – einer der Hauptgründe, warum mir Japan so gut gefallen hat.

Umso schlimmer war dann der tiefe Fall in Tokio für mich. Aber vergessen wir das ganz schnell. Mir geht es besser und jetzt hoffen wir einfach, dass ich Heimweh nach Marokko haben werde, wenn ich in Spanien angekommen bin.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Opa Hans

    Tja, nun sitze ich hier auf meinem Bänkchen unter der Douglasie und komme aus dem Staunen nicht mehr raus. Das muss man erstmal hinbekommen. In dieser kurzen Zeit so eine Kurve um den halben Erdball. Und dazwischen nochmal schnell eine Erkrankung auskurieren. Anne, Du hast es jetzt verdient, bei bestem Wohlbefinden Deine nächsten Reiseabenteuer zu erleben.

    1. Anne

      Das war wirklich ein Mörderritt von Tokio nach Casablanca. Aber ja, zum Glück fühle ich mich aktuell tiptop und ich hoffe, das bleibt jetzt eine Weile so.

  2. Mama

    Ach Anne, du und deine Mandelentzündungen! Da fragt man sich als Mutter doch wirklich „Habe ich was falsch gemacht?“ Aber prima, dass es noch ein Wundermittel gibt. Schön auch, dass dir Japan so gut gefallen hat. Ich freue mich jetzt jedenfalls erstmal ganz dolle auf unser Treffen in Spanien.

    1. Anne

      Mutti, da kannst du ja auch nix für. Ich wüsste nur gerne, wie ich die immer bekomme 🙁 Auf Spanien freue ich mich natürlich auch schon sehr 😀

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