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Wie Angkor eine Vorzeigetouristin aus mir machte

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Ich weiß nicht, wie ich diesen Blogeintrag jemals fertig bekommen soll. Seit drei Tagen versuche ich, einen Bericht zu schreiben. Jeden Tag schaffe ich gerade einmal die Fotobearbeitung. Ich habe seit meiner Ankunft in Siem Reap mehr als 700 Fotos geschossen und bin die ganze Zeit auf Achse.

Aber gut, irgendwie muss ich das bewältigen. Fangen wir als Lockerungsübung mit dem unspektakulärsten Teil der jüngsten Vergangenheit an: meiner Abreise aus Koh Rong Sangloem.

Ich habe am Abfahrtstag regelkonform um kurz vor 11 Uhr aus dem Hostel ausgecheckt, war dann dort aber bis zur Abfahrt der Fähre um 15:30 Uhr noch mit Nichtstun beschäftigt. Ein Taxiboot des Hostels brachte uns netterweise zum Fähranleger. Von dort ging es zurück nach Sihanoukville.

Ich musste am dortigen Fährhafen noch zwei Stunden vor dem Büro des Busunternehmens rumlungern, bevor ein Truck mich abholte und zu einem weiteren Büro des Busunternehmens brachte.

Meine Aussicht, während ich am Fährhafen in Sihanoukville wartete

In Busbüro Nummer 2 wartete ich noch einmal eineinhalb Stunden, bis um 19:30 Uhr der Bus zum Boarden bereit war. Der sollte mich in zwölf Stunden vom Südwesten des Landes in den Nordwesten nach Siem Reap bringen. 

Ich bin eigentlich kein Fan von Nachtbussen. In meinem letzten von Melbourne nach Sydney wäre ich fast erfroren und unbequem war es auch, weil wir auf ganz normalen Tagessitzen schlafen mussten. In Vietnam bin ich mal in einem Nachtbus gefahren, in dem sehr zwielichtige Gestalten auf den Gängen lagen.

Hier aber war ich angenehm überrascht. Ich hatte eine abgetrennte Schlafkoje, in der ich mich sogar gerade so voll ausstrecken konnte. Und auf dem Gang schlief auch niemand. 

Hier ein Foto vor der Abfahrt, ich habe leider vergessen, ein Foto vom Inneren zu machen

Ich bekam tatsächlich ein paar Stunden Schlaf, war aber bei der Ankunft in Siem Reap trotzdem ziemlich zerknautscht. Beim Ausstieg wurden wir Reisenden sofort wieder unter den bereits wartenden Tuktukfahrern aufgeteilt. Mein designierter Fahrer verscheuchte einen anderen Fahrer, der sich mir nähern wollte.

Ich ließ mich von dem hartnäckigen Fahrer zum Hostel bringen, wo ich leider viel zu früh für den Check-in ankam. Also machte ich erst einmal ein Nickerchen in einer Hängematte neben der Rezeption.

Mein Hostel in Siem Reap

Gegen 13 Uhr durfte ich meinen Schlafsaal beziehen, der mir sehr gut gefällt. Es ist zwar ein 10-Bett-Zimmer, aber es ist sehr groß und mein Bett ist gemütlich. 

Und vor allem sind die Doppelstockbetten massiv gebaut, sodass man es nicht spürt, wenn sich der Mensch im Bett über oder unter dir bewegt. Meine Bettunternachbarin in Koh Rong Sanloem hatte mich mit ihrem ewigen Gedrehe im 10-Sekunden-Takt in den Wahnsinn getrieben.

Ich blieb nicht lange untätig: Auf Google Maps hatte ich gesehen, dass es ganz in der Nähe eine französische Bäckerei gibt. Ich hatte Lust auf ein Schokocroissant. 

Bei der Vor-Ort-Besichtigung stellte sich heraus, dass die Bäckerei noch viel mehr als nur Schokocroissants zu bieten hatte. Ich bestellte schlussendlich Lasagne und Schokopuddingkuchen, ließ mich auf einem gemütlichen Sofa nieder, las in meinem neuesten Buch weiter, das ich im Hostel in Phnom Penh gefunden hatte und war sehr zufrieden und später auch sehr vollgefressen.

Aber das wollte ich natürlich alles bei einer anschließenden Stadtbesichtigung wieder abtrainieren. Dieser Plan ging nicht so ganz auf. Nach dem Essen lief ich zuerst zum Tempel Wat Preah Prom Rath. 

Als ich fast am Tempel war, brüllte mir von der anderen Straßenseite ein Tuktukfahrer irgendwas entgegen. 

Ich dachte zuerst, er wolle mich einfach irgendwo hinfahren und realisierte erst kurz danach, dass er mir eine einstündige Stadttour für fünf Dollar angeboten hatte. Das fand ich bei näherer Betrachtung gar nicht so schlecht und drehte auf der Suche nach dem Fahrer nochmal um.

Der war jedoch nicht mehr auffindbar. Stattdessen sprach mich ein anderer Fahrer an. Ich lief aber erst einmal weiter, um nach dem ersten Fahrer zu suchen. Der blieb aber verschollen, also lief ich wieder zurück und Fahrer Nummer 2 sprach mich erneut an. Er machte einen sehr netten Eindruck, also stimmte ich einer Stadtrundfahrt zu. Und so lernte ich Sovanna kennen. Er wird eine große Rolle im heutigen Bericht spielen.

Zuerst fuhren wir zum königlichem Palast, in dem der König residiert, wenn er in der Stadt ist. Was so etwa fünf bis sechs Mal im Jahr passiert, erklärte Sovanna mir. Neben dem Palast steht auch ein kleiner Tempel, der rege von Gläubigen besucht war, als wir ankamen. 

Danach fuhren wir zum Kriegsdenkmal. Es waren vietnamesische Soldaten, die die Roten Khmer 1979 entmachteten. Zu Ehren der vietnamesischen Soldaten, die in dem Krieg ihr Leben verloren, wurde das Denkmal errichtet. Es hat viele Ähnlichkeiten mit einer Tempelanlage.

Wir machten auch Halt an einer Handarbeitswerkstatt, wo man zum Beispiel dabei zuschauen kann, wie Einheimische Seide spinnen und weben und Silberschmuck bearbeiten. 

Natürlich gibt es dort auch ein Geschäft, wo das alles verkauft wird. Sovanna meinte, ich brauche nichts kaufen, aber er war es ja nicht, der von drei hartnäckigen Verkäuferinnen durch den ganzen Laden geschleift wurde. Ich habe gleich mal klar gemacht, dass sie bei mir an der falschen Adresse seien, wenn sie glaubten, dass sie mir Silberschmuck für 200 Euro verkaufen könnten. 

Aber naja, einen Kissenbezug aus Seide haben sie mir aus dem Kreuz geleiert. Mama, ein Mitbringsel für dich. Den musst du dann immer aufziehen, wenn ich zu Besuch komme.

Als letztes besuchten wir einen versteckten, uralten Tempel. Dafür mussten wir erst über das Grundstück eines modernen Klosters fahren und fanden die Anlage dann irgendwo im hintersten Eck. Aus dem 10. Jahrhundert ist sie und damit die älteste Anlage im Stadtgebiet von Siem Reap.

Nach deutlich länger als einer Stunde setzte Sovanna mich wieder im Hostel ab. Wir waren nämlich ganz schön ins Quatschen gekommen. Sovanna erzählte mir auch, wie schlimm die Covidzeit vor allem in Siem Reap war, weil hier die meisten Leute im Tourismusbereich arbeiten. 

Und auch jetzt kommen die Urlauber nur zögerlich zurück. Ich war sein erster Fahrgast seit zwei Wochen, erzählte er mir. Das muss man sich mal vorstellen. Er stand zwei Wochen lang den kompletten Tag an der Straße in der Hoffnung, etwas Geld für seine Familie zu verdienen und es findet sich einfach niemand. 

Er hat mir auch von seinen drei Töchtern erzählt. Seine jüngste Tochter wäre mit einem Jahr fast bei einer Herz OP gestorben. Jetzt ist sie drei Jahre und muss in ein paar Tagen erneut operiert werden. Mir ging das alles jedenfalls sehr nahe.

Am nächsten Morgen schrieb ich Sovanna, ob wir nicht eine weitere Tour zusammen machen könnten. Wir hatten uns ja sehr gut verstanden und ich wollte ihn und seine Familie wenigstens ein bisschen unterstützen. Er sagte auch sofort zu. 

Nun stand aber erst einmal eine andere Tour an. Über das Hostel hatte ich eine Gruppentour nach Angkor Wat gebucht. Ich verzichtete auf die Sonnenaufgangstour, die um 4 Uhr beginnt, und ließ mich lieber um 7:40 Uhr für den Tagesausflug abholen.

Trotzdem verschlief ich zum ersten Mal auf meiner Reise und sprang um 7:22 Uhr entsetzt aus dem Bett. Ich schaffte es zum Glück noch pünktlich zur Rezeption, wo ich von einem Mitarbeiter des Tourunternehmens eingesammelt wurde.

Wir machten kurz Stopp am Büro des Unternehmens und wurden dann auf die verschiedenen Tourbusse verteilt. Meine Kompagnons waren ein Koreaner, von dem ich behaupten möchte, dass er Jong hieß. Und dann war da noch ein Hongkongianer mit einem unmerkbaren Namen. Beide waren nicht so wirklich fit in Englisch, aber ich fand sie trotzdem sehr unterhaltsam.

Unser Tourguide Phyrom war auch total sympathisch und lustig. Er wusste alles über Angkor Wat. Kein Wunder, er war zwölf Jahre buddhistischer Mönch. Im Buddhismus ist das anders als im Christentum. Es ist völlig normal, nur für eine Weile Mönch zu sein. 

Das einzige Problem, das ich mit Phyrom hatte, war sein sehr starker Akzent. Und so habe ich leider nicht alle seiner Erklärungen verstanden, obwohl sein Englisch an sich sehr gut war, wenn man eben von der Aussprache absieht.

Ok, nun also Angkor Wat. Wo nur beginnen? Darüber lassen sich ja Bibliotheken füllen. Ich mache einen ganz kurzen historischen Abriss, einverstanden? (Leider funktioniert Chat GPT in Kambodscha nicht, sonst hätte das den Abriss für mich erledigen können.)

Der Aufstieg des Volkes der Khmer begann um das Jahr 800, also zu einer Zeit, zu der in Europa Karl der Große herrschte. Aber davon wird der alte Karl bestimmt nichts mitbekommen haben. Der König der Khmer hieß nicht Karl sondern Jayavarman II. 

Dem alten Jaya gelang es, mehrere Fürstentümer der Khmer unter seiner Führung zu einen. Er zog zu Beginn seiner Herrschaft durch die Lande, bis er sich in der Region des heutigen Siem Reap niederließ und mehrere Hauptstädte erbauen ließ. Angkor, die spätere Hauptstadt des Reichs wurde von einem seiner Nachfolger erbaut.

In der Blüte seines Lebens war das Reich von Angkor gigantisch. Es soll größer als das byzantinische Reich gewesen sein. Schätzungen gehen davon aus, dass in der Stadt Angkor auf dem Höhepunkt bis zu eine Million Menschen lebten. Die Fläche der Stadt war größer als das heutige Paris. Insgesamt war Angkor wahrscheinlich die größte städtische Struktur der Welt vor der industriellen Revolution. 

Im 15. Jahrhundert wurde Angkor aufgegeben. Über den Untergang des Reiches gibt es nach wie vor Debatten. Feindliche Invasionen und ein Versagen des ausgeklügelten Bewässerungssystems waren aber wohl ausschlaggebende Faktoren.

Was heute vom einstigen Riesenreich übrig bleibt, sind die Tempel, die die Nachfolger des alten Yajas erbauen ließen. Mehrere hundert Tempel. Der bekannteste ist Angkor Wat, er liegt nur wenige Kilometer außerhalb von Siem Reap. Auch viele andere sind von Siem Reap aus schnell zu erreichen. Andere liegen hoch oben in den Bergen, im tiefen Dschungel, sind fast komplett zerstört, vergraben, für manche Tempel muss man bis zur thailändischen Grenze fahren.

Interessant ist, dass die Khmer im Laufe der Zeit ihre Religion wechselten. Aus Hinduisten wurden Buddhisten. Und die älteren hinduistischen Tempel wurden in Folge in buddhistische Tempel umgewandelt. 

Das wurde jetzt doch ein etwas längeres Referat. Ich sags ja, ich weiß nicht, ob ich den Bericht jemals fertig bekomme. 

Bevor wir die Überreste des Khmer-Reichs anschauen konnten, mussten wir zuerst einmal Tickets kaufen. Ich entschied mich aus einer Laune heraus für ein Dreitagesticket statt für das schnöde Eintagesticket. Die Tickets sind sogar für europäische Verhältnisse teuer, aber wenn man schon einmal hier ist. 

Und dann fuhren wir nach einigen Ticketkontrollen endlich in Angkor Wat vor. Hier einige Außenansichten der berühmten Silhouette.

Achso, ich wollte euch ja noch darauf vorbereiten, dass ihr noch sehr, sehr viele Fotos von mir in diesem Bericht sehen werdet. Weil meine Reiseleiter der vergangenen Tage alle wahnsinnig waren. (Der Guide meiner Bergtour zwei Tage später hat mir am Ende des Tages 112 (!) Fotos geschickt, die er von mir gemacht hatte. Ich glaube nicht, dass es von meinen bisherigen 37 Lebensjahren mehr als 112 Fotos gibt.)

Am Mittelpunkt von Angkor Wat

Angkor Wat gilt als größte religiöse Struktur der Welt und wurde im 12. Jahrhundert erbaut. Viele Mauern und Türme sind eingefallen, aber aktuell läuft in Angkor Wat ein von Deutschland finanziertes Restaurationsprojekt. 

Jetzt, wo ich schon viele Tempel gesehen habe, habe ich den Eindruck bekommen, dass sich so ziemlich jedes Land dieser Erde einen Tempel geschnappt hat, den es gerade restauriert. Aber wir haben Angkor Wat! Und jetzt alle: Wir haben Angkor Wat, wir haben Angkor Wat!

Hier noch einige Fotos auf denen man unter anderem Galerien und Nebengebäude sieht.

Wir liefen mindestens zwei Stunden durch Angkor Wat und immer kam ein neuer Gang, eine neue Bibliothek, eine neue Galerie zum Vorschein. Zum Abschluss stiegen wir ganz hinauf in den heiligsten Teil des Tempels, von wo man auch eine schöne Aussicht hatte.

WordPress lässt mich leider keine Bilder mit unterschiedlichen Formaten in einer Bildergalerie zusammenfügen. Deswegen hier noch einmal separat ein Foto von mir auf dem steilen Abstieg aus dem Dachgeschoss.

Neben Angkor Wat ist der Ta Prohm der wahrscheinlich bekannteste Tempel der Region. Dort wurden nämlich Szenen von Tomb Raider gedreht. Wer den Film gesehen hat, dem kommen die folgenden Fotos bestimmt bekannt vor.

Wie ihr seht, sind heute vor allem die Bäume das Besondere am Ta Prohm, die sich dort im Laufe der Zeit ihren Platz zurückerobert haben und inzwischen eine regelrechte Symbiose mit dem Mauerwerk eingehen. 

Unser Tourguide Phyrom

Und ein tolles Naturphänomen haben wir über dem Ta Prohm auch gesehen. Ist euch so ein Regenbogen schon einmal begegnet?

Weil wir an dem Tag eine kleine Gruppe waren, hatten wir auch etwas Zeit, ein paar kleinere aber nicht minder schöne Tempel anzuschauen. Ich denke, es wäre wahrscheinlich zu übertrieben, zu jedem Tempel einen eigenen Absatz zu referieren. Deshalb packe ich die jetzt zusammen in eine Bildergalerie.

Weil in Angkor Thom viele Tempel dicht beieinander stehen, liefen wir die Gegend zu Fuß ab. Und kamen dabei auch an jeder Menge Affen und ihren Kamerateams vorbei. Wirklich, da waren jede Menge Kameraleute unterwegs, die die Affen filmten. Wie uns Phyrom erklärte, handelt es sich dabei um Youtuber, die jeden Tag neuen Affencontent erstellen. Ich habe auch Affencontent erstellt.

Nach den Affen kamen wir zu meinem Lieblingstempel. Der heißt Bayon, ist der zentrale Tempel von Angkor Thom und vor allem an seinen lachenden Buddhagesichtern auf den Türmen erkennbar.

Für den letzten Tempel des Tages mussten wir nochmal ein bisschen fahren und auch einen Hügel hinaufsteigen. Auf dem liegt der Phnom Bakeng, einer der ältesten Tempel Angkors, denn er wurde bereits im 9. Jahrhundert erbaut.

Wir wollten dort den Sonnenuntergang anschauen. Ich persönlich bin ja nicht so ein riesen Verfechter von Sonnenauf- und -untergängen. Ich schau mir das schon mal an, aber würde für sowas nicht mitten in der Nacht aufstehen und auf Berge klettern. Aber hier musste ich ja keine großen Verrenkungen unternehmen.

Und damit war unser 10-Stunden-Tag beendet. Ich war so platt und reizüberflutet und konnte nicht mehr viel machen, als ich zurück im Hostel war. Ein Feuerwerk gab es noch in der Nebenstraße. Die werden hier wohl bei Beerdigungen gezündet, wenn ich Phyrom richtig verstanden habe. 

Trotz der Anstrengung war es ein toller Tag

Seid ihr bereit für drei weitere Tage ähnlichen Kalibers? Ich habe in der Überschrift nicht gelogen. Die nächsten zwei Tage machte ich erst einmal (fast) Tempelpause. Es gibt hier ja auch noch anderes zu sehen.

Am Donnerstagmorgen holte mich Sovanna wie abgemacht im Hostel ab. Ziel sollte der Tonle Sap Lake sein. Das ist der größte See Südostasiens – in etwa fünf Mal so groß wie der Bodensee. Allerdings ist er im Durchschnitt gerade einmal einen Meter tief. 

Die Fahrt mit dem Tuktuk dauerte mindestens eine dreiviertel Stunde. Als wir aus der Stadt raus waren, endete wieder die Teerstraße. Wir kamen zuerst durch trubelige Dörfer und fuhren dann nur noch an Reisfeldern vorbei.

Irgendwann hielten wir an einem unscheinbaren Haus, wo ich mir mein sehr überteuertes Ticket für den See und das Floating Village (schwimmendes Dorf) kaufen musste. 

Der Name ist eigentlich irreführend. Denn die Häuser der Dörfer am Tonle Sap See schwimmen gar nicht, sondern sind auf bis zu zehn Meter hohen Pfählen gebaut. Damit verhindern die Einheimischen, dass ihre Häuser in der Regenzeit vom steigenden Wasser des Sees überflutet werden.

Nun ist zwar auch schon Regenzeit, aber noch kommt das Wasser nicht bis zu den Häusern, sodass wir mit dem Tuktuk durch das „Schwimmende Dorf“ fahren konnten.

Selbst große Gebäude wie Schule und Krankenhaus stehen in dem Dorf auf Stelzen. Nur ein niegelnagelneuer Tempel nicht, der auf einer Anhöhe liegt. Den wollte mir Sovanna zeigen. 

In der Sekunde, in der wir hielten, kam gleich eine Frau auf mich zugelaufen, die mir Schulhefte und Bleistifte verkaufen wollte. Die sollte ich dann unter den Schulkindern verteilen. 

Gerade hat mir meine Zimmerkameradin Marie Neige erklärt, dass das eine Touristenfalle ist. Die Kinder geben den Frauen die Hefte und Stifte im Anschluss zurück, damit diese sie erneut verkaufen. 

Mir war das Ganze auch etwas komisch vorgekommen, zumal der angebliche Preis für die Hefte deftig war. Aber was soll man da sagen, wenn um Geld für Schulmaterialien gefragt wird? Ich habe im Endeffekt ein bisschen was so gegeben und auch nix verteilt. 

Danach sind wir zum See runter. Das war auch eine halbe Touristenfalle. Zuerst einmal musste ich mein Ticket vorzeigen und dann wurde ein Bootsführer aufgetrieben. Am See lagen Horden von Booten, die auf Kundschaft warteten. Aber es war kaum etwas los. 

Bevor wir einstiegen, kaufte Sovanna uns ganz frische und warme Maiskolben. Die ließen wir uns auf dem Wasser schmecken, nachdem der Bootsführer seinen Kahn aus dem Gemenge an Booten befreit hatte. 

Auf dem See fuhren wir nicht länger als zehn Minuten, bevor wir ein schwimmendes Restaurant (diesmal stimmte der Name tatsächlich) ansteuerten. In dem Restaurant gab es auch eine Krokodilfarm, wo die Tiere für ihr Leder gezüchtet werden. Hmpf.

Essen wollte ich jedenfalls weder Krokodil noch etwas anderes, sondern kaufte Sovanna und mir eine Cola und dann machten wir Siesta. Ich fand es ja cool, dass er mit aufs Boot gekommen war. Normalerweise bringen dich die Tuktukfahrer nur irgendwo hin und warten dann auf dem Parkplatz auf dich.

Nach der Cola ging es auch schon wieder zurück zum Ausgangspunkt. Also das „Schwimmende Dorf“ war interessant gewesen und Bootsfahrten sind immer nett, aber alles viel zu überteuert und zu kurz. Dafür konnte natürlich Sovanna auch nichts, das wird ja so von den Einheimischen organisiert.

Wir machten uns dann auch auf den Rückweg nach Siem Reap. Unterwegs hielten wir noch am Fluss und schauten ein paar Jungs beim Netzfischen zu.

Sovanna erzählte mir übrigens, dass er zum ersten Mal seit der Pandemie wieder am See war. Weil eben keine Kundschaft da ist. Und wenn sich Tuktukfahrer oder Guides über den Weg laufen, fragen sie sich als erstes, wann man zum letzten Mal Touristen hatte.

Wieder zurück im Hostel lief ich wieder einmal zu meiner inzwischen liebgewonnenen französischen Bäckerei um die Ecke und aß Quesadillas mit Pulled Pork. Ok, nicht sehr französisch.

Kommen wir zum Freitag. Erneut musste ich schon früh raus, weil eine weitere Tour anstand. Diesmal wieder mit dem Anbieter, bei dem ich auch schon die Angkor-Wat-Tour gebucht hatte. Der Anfang war der gleiche: Abholung am Hostel, Fahrt zum Büro des Tourunternehmens. Kurz einen Eistee trinken und dann auf die Busse verteilt.

Ich hatte erneut zwei Mitstreiter: Saravanan, ein Mitzwanziger aus Singapur und Dharmesh, ein Familienvater aus Indien. Beide konnten natürlich sehr gut Englisch, was zu einer sehr unterhaltsamen Fahrt führte. Unser Guide hieß diesmal Chenda und war wieder super. Und sein Englisch hatte auch einen für mein westliches Ohr recht verständlichen Akzent.

Ziel des Tages war der Phnom Kulen. Das ist ein historisch sehr bedeutsamer Berg, denn hier erklärte der alte Jaya im Jahr 802 die Unabhängigkeit der Khmer von Java und auch die Hauptstadt aus den Anfangszeiten des Khmer-Reichs wurde hier gebaut. Dementsprechend gibt es im Dschungel des Berges viele Tempel, die aber sehr schwer zugänglich und verfallen sind.

1979 nutzten dann die Roten Khmer den Berg als letzten Rückzugsort und verminten ihn ordentlich, was die Arbeit von Archäologen auf dem Berg seit den 90er Jahren zu einem Hochrisikojob machte.

Wir fuhren knapp eine Stunde bis zum Fuß des Berges und dann ging es nochmal eine halbe Stunde nach oben. Die Straße auf den Berg ist eine Einbahnstraße und reicht für ein Auto/Kleinbus/Truck und ein entgegenkommendes Moped. Deshalb dürfen die vierrädrigen Fahrzeuge normalerweise in der ersten Tageshälfte nur hinauf- und in der zweiten Hälfte nur hinunterfahren. 

An jeder Kurve stehen Sicherheitsleute, die checken, ob keine potenziellen Kollisionen bevorstehen und die Verkehrsteilnehmer im Zweifel warnen. Ich weiß ja nicht, ob irgendein Ampelsystem nicht billiger wäre als 100 Sicherheitsleute.

Wir machten als erstes Stopp an einem wunderbaren Aussichtspunkt.

Denkt ihr etwa, das waren schon alle Fotos von dem Aussichtspunkt? Nein, nein nein! Ich hatte ja vor etwa 382 Absätzen kurz erwähnt, dass der Guide meiner Bergtour absolut fotoverrückt war. 

Aber nicht nur er, auch Dharmesh ging in dieser Beschäftigung voll auf. Er gab Chenda stets konkrete Regieanweisungen, wie er gerne fotografiert werden möchte: Welcher Winkel, welcher Ausschnitt, welche Größeneinstellung. Es war köstlich anzusehen.

Und als Chenda mich zum Fotoshooting bat, schnappte sich Dharmesh meine Kamera und machte zusätzliche Fotos von mir. Herrlich. Dabei sind meiner Meinung nach echt schöne Fotos entstanden und deshalb hier mal schamlos eine sehr Anne-lastige Galerie.

Ich habe übrigens noch nie in meinem Leben so viele wilde Schmetterlinge gesehen, wie auf dem Phnom Kulen. Und so viele verschiedene Farben. Drei Exemplare ließen sich bereitwillig ablichten.

Nach einer kurzen Weiterfahrt hielten wir am Fluss der 1.000 Lingas. Bevor wir die Lingas aber anschauen durften, gab uns Chenda erst einmal eine Geschichtsstunde. Er erklärte uns mit Hilfe eines ausgeklügelten Schaubildes, das er in den Sand malte, die Bedeutung des Berges und was es mit den Lingas auf sich hat.

Ich verschriftliche hier mal den Inhalt des Schaubilds, falls ihr nicht alle Feinheiten gleich erkannt habt. Ein Linga symbolisiert die hinduistische Gottheit Shiva und hat eine Phallusform. Um das Linga herum verläuft oft ein rechteckiger oder runder Yoni, der für das Weibliche steht. (Ihr werdet weiter unten noch einen voll erhaltenen Linga sehen.) Das Linga symbolisiert unter anderem Schöpfungskraft und Regeneration.

Über das Linga kann man nun Wasser oder andere Substanzen gießen. Wenn die Flüssigkeit über das heilige Linga geflossen ist, kann man sie auffangen und über sich gießen. Das soll Gesundheit und Wohlstand bringen. 

Die Khmer kamen im 11. Jahrhundert auf eine tolle Idee. Wenn sie nun ganz viele Lingas in den Fluss Kbal Spean bauen, dann fließt ja permanent Wasser über diese Lingas. Und das Wasser fließt aus den Bergen zu den Bewässerungsanlagen in der Angkor-Ebene und von da weiter bis zum Tonle Sap Lake. Dann hat man ja ganz viel gesegnetes Wasser.

Vom Hinduismus ging es weiter zum Buddhismus. Wir besuchten eine Tempelanlage mit einer großen, liegenden Buddhastatue, die aus einem Felsen gehauen wurde. Um die Anlage zu erreichen, mussten wir diese fotogene Treppe hinauflaufen. 

Auf den Seitenmauern der Treppe saßen ein paar Frauen, die frische kambodschanische Backwaren zubereiteten. Wäre ich alleine gewesen, wäre ich da sicher dran vorbeigelaufen, aber nun hatten wir ja Chenda, der uns erklären konnte, was es mit den Backwaren auf sich hatte. 

Ich probierte einen knusprigen Crèpe mit süßer Kokosnuss-Reis-Füllung und ein herzhaftes Reistörtchen mit Bohnensprossen. Beides sehr lecker.

Ich hatte euch ja noch ein intaktes Linga versprochen. Hier seht ihr mich auf dem Weg zu Wohlstand und Glück.

Unser Besuch bei der Hauptfigur der Anlage stand noch aus. Wir mussten noch eine weitere Treppe hinaufsteigen, bis wir vor dem liegenden Buddha standen. Auf dem zweiten Foto könnt ihr den unteren Teil des Felsens sehen, aus dem der Buddha gehauen wurde.

Am Fuß des Buddhas hing ein riesiger Gong. Der wird glaube ich geschlagen, wenn irgendetwas Wichtiges passiert oder so. Auf jeden Fall drückte Chenda uns nacheinander die Keule in die Hand. Da könnten wir doch mal draufschlagen.

Ich weiß ja nicht, ob das so erlaubt war. Jedenfalls schlugen wir alle brav auf den Gong ein. Davon gibt es theoretisch auch ein Foto, das hat mir Chenda aber nicht mitgeschickt. Stattdessen hier noch ein Foto, auf dem wir vor dem Buddhatempel stehen. Im Hintergrund seht ihr rechts die Staatsflagge von Kambodscha und links die religiöse Flagge des Landes.

Unser letzter Programmpunkt war sehr erfrischend. Wir badeten unter einem Wasserfall. Als ich so im Wasser stand, merkte ich es auf einmal überall an meinen Füßen zwacken. 

Zum Glück hatte Chenda uns vorgewarnt. Das sind kleine Fische, die dir die Hornhaut abknabbern. Es kam mir nach dem Baden tatsächlich so vor, als seien meine Füße etwas weicher. 

Chenda sah es natürlich auch beim Baden als seine Aufgabe an, uns in Szene zu setzen. Er scheuchte mich ungefähr 20 Minuten von Stein zu Stein und ließ mich posieren. Das Spektakel vertonte er mit Ausrufen der Begeisterung und Entzückung. Das fand ich sehr unterhaltsam, auch wenn ich mich in meinem Badeanzug nicht gerade entzückend fühlte. Aber was solls, hier ein paar Highlights. 

Beim anschließenden Lunch und auf der Rückfahrt nach Siem Reap sprach ich mit Dharmesh unter anderem über seine Tochter. Er erzählte mir, dass er ein wenig unruhig sei, weil seine Tochter mit 31 Jahren noch immer nicht verheiratet ist. Er würde nun einen Mann für sie suchen. Das funktioniert über eine Agentur.

Er meinte aber auch, dass er sie nicht drängen will. Er würde zwar auf Familienfeiern ständig auf seine unverheiratete Tochter angesprochen, aber er hätte nun für sich entschieden, dass er trotzdem weiter auf die Familienfeiern gehen und dem Druck standhalten würde. Denn er sehe ja, dass seine Tochter momentan glücklich ist. 

Das fand ich sehr süß. Indien hat gemeinhin ja sehr traditionelle Vorstellungen von Familie und Ehe. Dharmesh lud mich auch zu sich nach Mumbai ein, weil er meinte, dass ich ihn sehr an seine Tochter erinnere und wir uns sicher sehr gut verstehen würden. Das fand ich auch sehr süß. Und wenn es meine Reisepläne zugelassen hätten, hätte ich große Lust gehabt, das Angebot anzunehmen.

Zurück im Hostel machte ich außer Fotos sortieren wieder nicht mehr viel. Maria aus Köln lernte ich noch kennen, die tatsächlich in meinem Alter ist. Wir haben noch zwei Stunden vor dem Hostel gequatscht.

In meinem Schlafsaal habe ich auch zwei sehr nette Bettnachbarinnen. Marie Neige hatte ich ja kurz weiter oben schon erwähnt. Sie kommt aus Frankreich. Wir fahren morgen beide nach Battambang, zwar in unterschiedlichen Bussen, aber wir werden im selben Hostel schlafen und übermorgen wollen wir zusammen eine Tour machen.

Und dann habe ich noch Pia aus Berlin kennengerlernt, die auch auf einer längeren Reise ist und die Freiheiten des Reisens und des Alleinreisens genauso genießt wie ich.

Ok, jetzt erzähle ich euch noch, was ich gestern gemacht habe und meine heutigen Erlebnisse müssen dann bis zum nächsten Blogeintrag warten. Denn mal wieder sprenge ich hier alle Dimensionen.

Gestern war ein Sovanna-Tag. Er holte mich um 9 Uhr am Hostel ab und nach zwei Tagen Pause stand wieder Angkor auf dem Programm. Auf dem Weg aus der Stadt heraus fuhren wir über diese tolle Brücke, die ich jedes Mal bewundere, wenn ich drüberfahre.

Die Tempel, die wir diesmal besuchen wollten, waren ein gutes Stück von Angkor Wat entfernt. Wir fuhren bestimmt eine dreiviertel Stunde, bis wir am Banteay Srei waren, Sovannas Lieblingstempel. Den Namen übersetzen die Einheimischen mit „Lady Temple“. Möglicherweise bekam der Tempel in späterer Zeit diesen Namen, weil er sehr elegant aussieht.

Er ist im 10. Jahrhundert aus rotem Sandstein gebaut wurden. In den 20er Jahren kam der Lady Temple in die Schlagzeilen, nachdem ein Franzose versucht hatte, Figuren daraus zu stehlen und auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Er wurde in Phnom Penh verhaftet, verhalf Banteay Srei so aber ungewollt zu Bekanntheit.

Der zweite Tempel des Tages war der Banteay Samré, ein etwas kleinerer aber sehr schöner Tempel aus dem 12. Jahrhundert, der dem Angkor-Wat-Stil zugeordnet wird. 

Mein Favorit des Tages war der Pre Rup aus dem 10. Jahrhundert. Er sieht einfach sehr stattlich aus und ich mochte die große Treppe, die bis ganz nach oben zu einer tollen Aussicht führte.

Sovanna begleitete mich wieder auf allen Tempelgängen und erklärte mir noch ein paar Dinge, obwohl er das eigentlich gar nicht darf, wie er mir inzwischen gesagt hat. Er ist ja kein ausgebildeter Tourguide und kann hohe Geldstrafen bekommen, wenn er erwischt wird. 

Wir beließen es an dem Tag bei drei Tempeln, worüber ich sehr dankbar war, weil meine Aufnahmefähigkeit schon wieder im Keller war. Außerdem waren wir ja recht weit gefahren.

Auf dem Rückweg hielten wir noch einmal am Straßenrand an, wo eine Frau gerade Palmsaft über einem Feuer einkochte um Palmzucker herzustellen. Ich durfte mal probieren und rühren. Sovanna auch.

Ich kann es kaum glauben. Bin ich etwa mit meinem Blogeintrag fast durch? Wie es ausschaut, fehlen nur noch die abschließenden Worte.

Gestern Abend habe ich nach meinem obligatorischen Besuch in der französischen Bäckerei an diesem Eintrag hier gebastelt. Heute war ich ein letztes Mal mit Sovanna auf Tempeltour. Dazu beim nächsten Mal mehr. 

Ich hoffe, ich schaffe es, mich noch einmal aus Kambodscha zu melden. Ansonsten hört ihr spätestens von mir, wenn ich in meinem geheimnisvollen Land angekommen bin. 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Carlo

    Wow, alle Achtung! Da hast du ja echt einiges unternommen und erlebt. Bin schon sehr gespannt, wohin es dich als nächstes verschlägt 😊

    1. Anne

      Ui, hatte dir gar nicht geantwortet. Aber inzwischen ist die Auflösung ja da 😀

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