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Zurück im Großstadtchaos

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Wie angekündigt wagte ich es, nach zwei Tagen Eingewöhnung in Ubon Ratchathani das Projekt Innenstadt anzugehen. Ich wartete die Mittagshitze ab und erkundigte mich dann bei einer der Hostelmitarbeiterinnen, wo ich hier denn ein Taxi finden könne. Netterweise bestellte sie mir eins. 

Es gibt im Internet nicht sonderlich viele Seiten, die sich mit den Sehenswürdigkeiten von Ubon Ratchathani befassen. Einer der Vorschläge war ein kleiner Tempel aus Holz. Dieser sah nett aus und außerdem erklärte mir Google Maps, dass er ziemlich zentral liegt. Ich nannte den Tempel deshalb meinem Taxifahrer als Ziel.

Auf der Fahrt merkte ich, dass Ubon größer ist, als ich vermutet hatte (rund 100.000 Einwohner laut Wikipedia) und dass mein Hostel wirklich ziemlich weit außerhalb ist, denn die Fahrt dauerte mindestens eine Viertelstunde. 

Ich traute meinen Augen und Ohren nicht, als ich am Tempel auf eine deutsche Busreisegruppe traf. Die ersten Touristen seit meiner Ankunft. Ich startete natürlich keine Kontaktaufnahme, aber freute mich innerlich ein bisschen.

Der hölzerne Wat Thung Si Meuang im Zentrum von Ubon

Im Anschluss schaute ich mich im benachbarten Park um. Lustigerweise heißt der Park Thung Sri Mueang und der Tempel Thung Si Meuang. Ich frage mich, ob das völlig unterschiedliche Wörter sind oder ob eine Verwandtschaft besteht.

In dem Park fand gerade eine Großveranstaltung statt, welcher Art erschloss sich mir nicht. Irgendetwas mit Turnen oder Tanzen. Zeitgleich mit mir kamen mehrere gepanzerte Fahrzeuge des Gesundheitsministeriums an. Ich ermittelte allerdings nicht näher sondern lief noch ein bisschen weiter durch die Stadt, die mir, in dem kleinen Teil, den ich sah, ziemlich schmucklos erschien.

Ich wollte bis zum Fluss Mun laufen, der durch Ubon fließt, und kam dabei an einer weiteren Tempelanlage vorbei, dem Wat Luang. Sie machte von außen einen einladenden und vor allem schattigen Eindruck, also trat ich ein. Die Anlage war tiptop gepflegt und gefiel mir total gut.

Im hinteren Teil der Tempelanlage gab es einen kleinen Durchgang, der unter Blumenranken hindurchführte. Am Ende dieses Weges fand ich den schönsten Platz von ganz Ubon Ratchathani. Ich stand auf einmal in einem Zaubergarten. Als wäre ich durch ein Portal nach Narnia gefallen oder in Alices Wunderland. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn Einhörner und sprechende Kaninchen in dem Garten umhergesprungen wären.

Es war so ein friedvoller Ort. Ich setzte mich auf eine Hollywoodschaukel, schaute eine Weile einem Mönch beim Blumengießen zu, hörte einen Springbrunnen plätschern und fühlte mich ganz weit weg von der Stadt. Was für ein toller Zufallsfund – im Internet stand nichts von diesem Garten.

Der Fluss Mun hingegen war wenig spektakulär. In Laos mochte ich die Flüsse immer besonders, da dort oft Bambushütten auf Pfählen ins Wasser gebaut waren. Hier war jedoch alles Massivbau.

Ich hatte genug von der Innenstadt gesehen, ich wollte zurück in mein Hostel. Bei der Ankunft hatte ich einen Taxistand am Park gesehen, zu dem ich hoffnungsvoll lief. Als ich ankam, waren aber alle Taxis verschwunden. Ich latschte bestimmt eine Stunde herum, bis mir Grab einfiel. 

Ich rede nicht vom deutschen „Grab“ sondern vom Englischen Grab (gesprochen  „Gräbb“, bedeutet Greifen). Für alle, die es nicht kennen: Das ist wie Uber, also eine Taxiruf-App und ist hier in Asien geläufiger. Ich hatte mir die App damals auf den Philippinen sicherheitshalber installiert, aber nie genutzt. 

Jetzt betete ich, dass es in Ubon Grabfahrer gibt und wurde tatsächlich fündig. Leider hatte ich keine Ahnung, wie genau man die App bedient. Ich bestellte ein Taxi und war im Anschluss damit überfordert zu verstehen, ob das Taxi jetzt zu mir kommt oder ob ich zum Taxi kommen muss. Als mir mein Fahrer eine Nachricht schrieb und mich fragte. wo ich bin, wurde ich hektisch. Keine Ahnung, wo ich war. Im Endeffekt wählte ich die Variante: „Ich laufe dem Taxi entgegen“. Die Position des Fahrzeugs konnte ich in der App sehen und fand so schließlich meinen Fahrer. 

Ich weiß im Nachhinein immer noch nicht, ob das so alles im Sinne des Erfinders war. aber Hauptsache jemand brachte mich nach Hause. Beziehungsweise zum Wat Phra That Nong Bua, dem schönen Tempel in der Nähe meines Hostels, von dem ich im letzten Artikel berichtete. Da konnte ich wenigstens sicher sein, dass mein Fahrer dieses Ziel kennt.

Hier, weil er so toll ist, eine weitere Ansicht des Tempels.

 

In meinem Hostel bekam ich am Abend Frühlingsrollen, Glasnudeln und eine thailändische Art Crostini serviert. Vom Geburtstagsbuffet der Mutter des Hostelbesitzers, wenn ich das so richtig verstand. Sehr lecker.

Den nächsten Tag verfaulenzte ich. Am Nachmittag musste ich zum Bahnhof. Die Mutter des Hostelbesitzers bestand darauf, mich persönlich zum Bahnhof zu fahren. Das fand ich total nett. 

Mein Ticket für die Fahrt nach Bangkok hatte ich ja im Internet gekauft. Am Bahnhof sollte ich es gegen Vorlage meiner Bestellnummer abholen. Ich war ein wenig nervös, weil ich keine ausgedruckte Reservierung hatte, aber das stellte sich als unproblematisch heraus. 

Eine Bahnhofsangestellte nahm mich gleich unter ihre Fittiche, brachte mich zur Abholstelle und unter bloßer Nennung meines Vornamens bekam ich mein Ticket. Anschließend steckte mich die Mitarbeiterin in den VIP-Warteraum für die Erste Klasse. Dass ich ein Zweite-Klasse-Ticket hatte, war ihr egal.

Die Nachtzüge in Thailand haben in der Zweiten Klasse zwar ein Großraumabteil, jedes Bett ist aber durch einen Vorhang abgetrennt. Die Thais nehmen es mit der Privatsphäre wohl etwas genauer als die Russen.

Meine Koje war sehr gemütlich, da gab es nichts zu meckern. Leider hielt der Zug gefühlt alle paar Minuten an, was mich häufig aus dem Schlaf riss. 

Für die rund 600 Kilometer bis nach Bangkok brauchte der Zug elf Stunden. Am Morgen kamen die Schaffner vorbei und bauten den Schlafwaggon in Sekundenschnelle in einen Sitzwaggon um.

Mich schockten die vielen Bretter- und Blechbuden, die ich in der nächsten halben Stunde durchs Fenster sah. Entlang der Zugstrecke sind bettelarme Slums entstanden. Mir fiel wieder ein, was ich schon bei meinem ersten Bangkokaufenthalt beobachtet hatte. Man sieht großen Protz aber auch große Armut, oft in unmittelbarer Nachbarschaft.

Gegen kurz vor sieben Uhr erreichten wir den Hauptbahnhof Hua Lamphong. Hier die Bahnhofshalle und die Szenerie vor dem Gebäude.

Anders als in Ubon wurde ich hier von Taxi-, Tuktuk- und Motorradtaxifahrern umschwärmt, als ich den Bahnhof verließ. Ich entschied mich aufgrund der Hitze und meines Gepäcks fürs luftige Tuktuk. In Bangkok ist es wahnsinnig schwül. Viel schwüler als in Ubon. Und wirklich richtig, richtig heiß.

Ich kam viel zu früh im Hostel an. Bis ich mein Bett beziehen durfte, musste ich noch mehr als sechs Stunden warten. Ich frühstückte erstmal bei McDonalds (Ich liebe Egg McMuffins aber meistens liege ich zu McDonalds-Frühstückszeiten noch im Bett) und wollte dann die nächsten Stunden eigentlich mit Sightseeing rumbekommen. 

Aber mir war so heiß, dass ich mich kaum bewegen konnte und mich kurz nach dem Frühstück bereits in einem Café auf den nächsten Stuhl plumpsen ließ. Planänderung. Wo sitzt man im Kühlen, muss sich nicht bewegen und kann mehrere Stunden verweilen? Im Kino. 

McDonalds hatte mich in Weihnachtsstimmung versetzt, weil dort die ganze Zeit „Jingle Bells“ dudelte. Ich suchte deshalb nach einem Kino, das einen Weihnachtsfilm auf Englisch zeigt. Ich wurde fündig, das Kino war nur leider nicht wirklich in der Nähe. Der Taxifahrer, dem ich mein Ziel nannte, grummelte erst ein wenig. Ich hatte schon bei meinem letzten Aufenthalt die Erfahrung gemacht, dass Taxifahrer es nicht mögen, wenn sie weitere Strecken fahren sollen. Ich habe keine Ahnung, warum. 

Aber wenn der Preis stimmt, fahren dich die Taxifahrer natürlich auch nach Omsk oder Tomsk. Ich wollte in meinem übernächtigten, verschwitzten Zustand einfach nur so schnell wie möglich in meinen Kinosessel sinken und so stimmte ich dem überteuerten Preis des Fahrers zu. Wie sich herausstellte, kam der übrigens aus Ubon Ratchathani und freute sich ein Loch in den Bauch, als er hörte, dass ich gerade von dort kam. Wie gesagt, Ubon ist ja nicht für seine Touristenströme bekannt.

Das Kino ist in einem supermodernen Einkaufszentrum untergebracht, das es bei meinem letzten Besuch meiner Meinung nach noch nicht gab und das über und über weihnachtlich dekoriert war. Ich kam mir vor, wie in einer amerikanischen Mall.

Der Film, den ich schaute, hieß „Last Christmas“. Vielleicht hat ihn jemand von euch gesehen. Er war leider nicht so weihnachtlich lustig, wie ich gehofft hatte und auch etwas dämlich und vorhersehbar. Dafür waren die Kinosessel sehr bequem, man konnte sie nach hinten kippen. 

Oh, und eine kuriose Sache erlebte ich vor Beginn des Films. Es lief gerade Werbung und auf einmal sprangen alle Besucher auf. Ich verstand am Anfang nicht warum, bis ich genauer auf die Leinwand schaute. Dort stand, dass man sich nun zu Ehren des thailändischen Königs erheben möge. Ich wollte es nicht riskieren, wegen Majestätsbeleidigung für 20 Jahre à la Bridget Jones in einem thailändischen Gefängnis zu landen. Ich kenne nämlich keinen Menschenrechtsanwalt. Deshalb stand ich lieber auch auf. Es folgte ein rund zweiminütiger, mit dramatischer Musik unterlegter Film über das Heldentum des Königs – vor Pathos triefend. Danach durfte man sich wieder setzen.

Auf der Suche nach der richtigen U-Bahnstation irrte ich nach dem Film eine Weile um die Mall herum. 

Ich hatte total vergessen, dass es in Bangkok auch eine U-Bahn gibt. Ich hatte immer nur die Hochbahn im Kopf. Ich hatte übrigens ebenso vergessen, dass in Thailand Linksverkehr herrscht. Mein Hirn ist ein  großes Sieb.

Mit der tatsächlich realen U-Bahn brauste ich am Nachmittag endlich in mein Hostel. Es hat einen großen, gemütlichen Innenhof, sodass man sich hier gar nicht so fühlt, als sei man im großen, verrückten Bangkok.

Ich fühlte mich leider am Abend etwas kränklich. Das besserte sich auch am nächsten Morgen nicht. Juhu, wieder eine Erkältung eingefangen. Diese saublöden Klimaanlagen. 

Ich blieb deshalb erstmal im Bett liegen, weil ich die Krankheit nicht schon wieder bis zum Antibiotikastadium verschleppen wollte, wie beim letzten Mal. 

Am Nachmittag machte ich mich aber auf zur berüchtigten Khao San Road, die nicht allzu weit vom Hostel entfernt ist. 

Die Straße ist DIE Touristen-Partymeile der Stadt. Ich war allerdings geschäftlich dort. Ich musste mir ein Busticket nach Koh Samui, meinem nächsten Reiseziel, besorgen. Außerdem war ich auf der Post um ein Päckchen für Mama und Marie nach Deutschland abzuschicken. Grüße vom Bolaven-Plateau. Erwartet aber nix Großartiges. 

Zwischen Khao San Road und Hostel liegt ein großer Kreisverkehr, der mich immer ein wenig an Nowosibirsk erinnert.

Heute war ich immer noch nicht fit. Kein Wunder, so eine Erkältung braucht ja schließlich seine Zeit. Ich ließ es also wieder langsam angehen und traf mich lediglich am Nachmittag mit Robin zum Tee. Robin ist ein verrückter Inder, den ich durch Zufall auf der Khao San Road getroffen hatte. Wir tranken in einem kleinen indischen Hinterhofcafé nepalesischen Kardamomtee, während Robin mir von seinem gemeinnützigen Yogazentrum erzählte, das er in Indien errichten will.

Als ich am Abend zurück ins Hostel kam, war hier Party im Innenhof. Ich kann gar nicht sagen, was das genau war. Irgendeine thailändische Impro-Kabarettshow vielleicht? Es war eine ziemlich verrückte und lautstarke Angelegenheit, die ich aus sicherer Entfernung vom Balkon verfolgte, während ich diese Zeilen schrieb. Inzwischen ist das Programm aber beendet, alle Lichter sind aus und ich bin mal wieder die einzige, die noch wach ist. Gute Nacht.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Oma & Opa

    Hallo Anne, Dein bewundernswerter Fleiß im Schreiben Deiner Reiseberichte ist immer wieder lobenswert. Vor allem die mitgelieferten Fotos – große Klasse.
    Wir freuen uns schon auf das sicherlich am Weihnachtsabend stattfindende Telefongespräch mit Dir. Bis dahin bleibe bzw. werde wieder schön gesund und vielleicht begegnest Du Doch noch einen Weihnachtsmann, der einige gewohnte Weihnachtsleckerli bei sich hat.

    1. Anne

      Huhu, sicherlich werden wir mal telefonieren. Und gesundheitlich geht es mir heute tatsächlich wieder besser. Das ist doch auch ein super Weihnachtsgeschenk.

  2. Rebekka

    Oha, erstmal gute Besserung für deine Erkältung – du willst doch wohl nicht über Weihnachten krank sein? Bangkok wäre mir glaub ne Nummer zu groß, aber ist bestimmt auch ne irre Erfahrung. Ich wünsch dir viel Spaß auf der Insel und schöne Weihnachtstage!

    1. Anne

      Vielen Dank, ich hoffe, dass in zwei Tagen das Gröbste überstanden ist. Strand und Meer helfen bestimmt. Dir auch ganz tolle Weihnachtstage. Ich hoffe, du musst nicht arbeiten (aber wahrscheinlich doch).

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