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Ein lang erwartetes Wiedersehen

„Bald habe ich wieder ein eigenes Zimmer, bald habe ich wieder ein eigenes Zimmer!“ Das war mein Mantra für die letzte Nacht in Guadalajara. Mein Bettnachbar feierte in seinem Bett nämlich wieder Party. Wirklich. Er fläzte sich da rum und aß Chips.

So konnte ich einfach nicht weiterleben. Ich versuchte zuerst, wieder im Aufenthaltsraum zu schlafen, so wie schon in meiner ersten Nacht mit dem Schnarcher. Dort war es aber viel zu heiß. 

Also nach einer Weile zurück in den Schlafsaal und hoffen, dass dieser furchtbare Mensch endlich schläft. Sah auch erst danach aus, aber zu früh gefreut. Neuer Plan: Ich nahm meine Decke und legte mich auf den Boden vor das Bett. Da wurde ich wenigstens noch vom Ventilator beweht.

Es gibt einfach Leute, denen fehlt jede Vorstellungskraft, wie Rücksicht in Schlafsälen funktioniert.

Am nächsten Vormittag fuhr ich mit der Bahn zum Busbahnhof und von dort mit dem Bus in rund sechs Stunden an die Pazifikküste nach Puerto Vallarta. 

Dort angekommen, ärgerte ich mich. Der Bus hielt nämlich am Flughafen und nicht in der Stadt. Auf meinem Ticket war das anders angegeben und ich hatte mir das Hostel extra wegen der Nähe zur Bushaltestelle ausgesucht. Ganz toll.

Ich hatte überhaupt keine Lust, Geld für ein Taxi auszugeben. Also legte ich mein Schicksal in die Hand von Google Maps, das mir eine Busverbindung in die Stadt anzeigte. Die angebliche Bushaltestelle habe ich nie gefunden. Im Endeffekt blieb mir nichts anderes übrig, als mir doch noch ein Uber zu bestellen.

Im Hostel angekommen, packte ich nur schnell aus und lief dann noch einmal los zu einem ganz großen Supermarkt. Der war toll und klimatisiert.

Mithilfe meiner Errungenschaften kochte ich mir im Hostel ein leckeres Abendmahl. Die Küche hatte ich immer für mich alleine. Das ist so ziemlich das einzig positive Wort, das ich über das Hostel verlieren kann.

Denn es war die dreckigste, versiffteste, verloddertste Unterkunft meiner kompletten Reise. Ich möchte euch Details ersparen. Aber ich habe während meiner fünf (!) Tage, die ich dort überlebt habe, nicht ein einziges Mal jemanden gesehen, der irgendwo geputzt hätte. 

Der Boden im Schlafsaal war so dreckig, dass meine Füße nach zwei Sekunden Kontakt schwarz waren. Das Bad war gesundheitsgefährdend. Wenigstens hatten wir ein Bad. Für die Männer gab es nur einen abbruchreifen Schuppen im Garten. 

Zum Glück waren kaum Gäste dort. Ich verbrachte die meiste Zeit im Schlafsaal allein mit einer verrückten Messiefrau, die dort augenscheinlich lebte. Genauso wie zwei männliche Gäste, die ich manchmal sah. Ansonsten verirrte sich mal jemand für eine Nacht ins Hostel, keiner hielt es lange aus.

Marco, der Besitzer, der im Grunde sogar sehr nett war, arbeitete abends manchmal ein wenig im Garten. Das wars. Mitarbeiter hat er keine. Das Verrückteste: Das Hostel hat sowohl auf Booking als auch auf Hostelworld mit 8 von 10 Sternen eine sehr gute Gesamtbewertung. Ich weiß nicht, ob da in den letzten Monaten vielleicht etwas vorgefallen ist, dass nun alles den Bach runtergeht.

Nach der ersten Nacht im Horrorhaus war ich der Meinung, dass ich es dort unmöglich für vier weitere Nächte aushalten würde. Ich lief also zu einem Hostel in der Nähe, um dort nach einem Bett zu fragen. Das ich mir vorher zeigen lassen wollte, um nicht wieder auf die Nase zu fallen.

Blöderweise war in dem Hostel die Rezeption nicht besetzt und ich hatte keinen Bock darauf, erst den Besitzer anzuschreiben, zu warten und dann noch einmal hinzudackeln für die Besichtigung und ein zweites Mal für den Umzug. Also blieb ich todesmutig im Horrorhaus.

Alles wäre besser gewesen, wenn Puerto Vallarta wenigstens nett gewesen wäre. War es aber nicht. Vielleicht war ich in der falschen Ecke der Stadt, aber rund ums Hostel war alles Baustelle und kaputt und dreckig.

Der Weg zum Strand war fast gruselig und der Strand an sich überzeugte mich auch nicht. Ich glaube, entweder gibt es doch noch irgendwo schöne Ecken oder die Horden von Urlaubern verlassen alle ihre Hotelanlagen nicht.

Vielleicht wollte mir Mexiko den Abschied einfach nicht zu schwer gestalten. Ich zählte jedenfalls die Tage und Stunden bis zu meiner Flucht aus Puerto Vallarta. Viel zu heiß war es außerdem. Hitzwelle. Meine traurigen Hightlights waren die Besuche in dem großen, sauberen Supermarkt.

Vergangenen Samstag war es soweit: Ich konnte die Biege machen. Mein Fluchtfahrzeug war wieder ein Uber. Ich kam viel zu früh am Flughafen an, weil ich keine Sekunde zu lang im Horrorhaus bleiben wollte.

Ich hatte ein wenig Angst, dass mein Flug gar nicht existierte. Beim online einchecken hatte mir die App gesagt, dass meine Buchung gecancelt sei. Über die Website klappte das Einchecken.

Am Flughafen gab es keinerlei Hinweise darauf, dass meine Airline dort überhaupt ansässig ist. Aber zwei Stunden vor Abflug öffnete dann doch ein entsprechender Schalter und schwupps stand ich am Gate. 

Komisch war noch, dass ich gar nicht mehr aus Mexiko ausgestempelt wurde. Immer wieder erlebt man was neues am Flughafen.

Der Flughafen war übrigens fest in nordamerikanischer Hand. Puerto Vallarta ist bei den Amis und Kanadiern anscheinend ein äußerst beliebtes Reiseziel.

Westjet, Southwest, Alaska Airlines - alle aus Nordamerika

Mit dem Flug lief alles glatt. Wir hoben gegen 17:30 Uhr pünktlich in Mexiko ab und flogen Land 35 auf meiner Reise entgegen.

Mein Mexiko-Fazit: Ein ganz großes Highlight für mich war definitiv das Essen, das ich vor allem während der Gruppentour ausprobieren konnte. Später habe ich ja meistens gekocht.

Die Gruppentour war generell natürlich auch fantastisch, weil ich in kurzer Zeit so viel gesehen habe: die Schwimmhöhlen und Mayaruinen und schicke Städte wie San Cristobal. Ganz toll haben mir später auch Oaxaca und Guadalajara mit ihren bunten Häusern und der Straßenkunst gefallen. 

Die Busse waren bequem, die Straßenverhältnisse nur mäßig chaotisch. So gibt es zum Beispiel recht häufig Fußgängerampeln. Die meisten Leute waren sehr freundlich. Ich habe mich sicher gefühlt. Also keine Angst vor Mexiko. 

Trotzdem freute ich mich nun wahnsinnig auf Kanada. Zum einen, weil ich nach acht Monaten in Süd- und Mittelamerika einfach ganz große Lust auf einen Kulturraumwechsel hatte. Und zweitens natürlich, weil am Flughafen in Toronto meine lieben Freundinnen Jen und Sylvie auf mich warten würden.

Nach der Landung begrüßte mich aber zuerst einmal ein Anblick, den ich bislang nur aus den USA kannte: Der ganze Flughafen ist mit Teppich ausgelegt. Ich glaube ja, dass Kanada und die USA die einzigen Länder der Welt sind, wo man das vorfindet.

Warum nur, warum?

Die Einreise ins Land geschah vollautomatisch, kein Beamter in Sicht. Es war so cool, dass ich zur Abwechslung mal nicht mutterseelenallein auf weiter Flur war, sondern vor dem Flughafen von Jen und Sylvie abgeholt wurde. Mitten in der Nacht hatten die beiden sich dafür auf den Weg nach Toronto gemacht. Wahnsinn.

Sie wohnen in Barrie, das ist eine Stadt circa eine Stunde nördlich von Toronto. Sylvie brachte Jen und mich zu Jen nach Hause. Die hat ein Haus und hatte ein Gästezimmer für mich übrig, mit großem Bett und ganz für mich allein. 

Jen und ich quatschten nicht mehr allzu lange. Inzwischen war es schon 2 Uhr nachts und am nächsten Morgen wollten wir um 9 Uhr wieder aufstehen.

Blick aus dem Fenster des Gästezimmers am nächsten Morgen - das weckt Erinnerungen an die USA

Nachdem ich mich aus dem Bett gepult hatte, packte ich einen kleinen Rucksack für die nächste Nacht und dann fuhren wir los, um Sylvie abzuholen. Die wohnt im Stadtzentrum und fast direkt am Lake Simcoe, an dem wir zuerst entlangspazierten.

Ich hatte ja schon ganz verdrängt, wie fotoverrückt Jen und Sylvie sind. Sie sind daran schuld, dass ihr mich in diesem Beitrag wieder häufiger zu Gesicht bekommen werdet.

Zum Frühstücken waren wir in einer Galerie mit angeschlossenem Café, wo ich ein leckeres Sandwich und einen Eistee hatte. 

Wir liefen noch ein wenig durchs Zentrum und zurück zum Rummel, wo jetzt schon deutlich mehr los war. Jen kaufte an einem Stand, an dem es ganz viele verschiedene Butter Tarts (Butterküchlein) gab, ein Exemplar mit Ahornsirup, Walnuss und Karamell. Das müsste ich unbedingt probieren.

Dann schauten wir noch in Sylvies schicker Wohnung vorbei und schon konnte unser kleiner Roadtrip beginnen.

Unser Ziel waren die Niagarafälle – yeah. Sie liegen „nur“ 200 Kilometer südlich von Barrie. Das war natürlich ganz formidabel, dass Jen und Sylvie vorgeschlagen hatten, dorthin zu fahren. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln wäre es schwierig geworden und ein Roadtrip ist ganz nach meinem Geschmack.

In Barrie kamen wir an der Anne Street vorbei

Ein paar Stopps machten wir auch unterwegs. Zuerst hielten wir an einer Lavenderfarm. Der Lavender stand zwar noch nicht in voller Blüte, aber die Farm war trotzdem sehr fotogen. 

Die Gegend, durch die wir kamen, ist eine bekannte Weinregion. Also hielten wir an einem Weingut und machten eine kleine Weinprobe inklusive Pizza. Das war total gemütlich, weil das Weingut einen tollen  Garten mit Sitzbereich hat. Und die Sonne beschien uns auch.

Jetzt habe ich vor Schreck vergessen, welchen Wein ich am besten fand. Ein Gewürztraminer war bei der Probe dabei und den mochte ich nicht, weil mir der nicht süffig genug war. Ich bin da Banausin und mag die lieblichen Weine.

Das Butterküchlein hatte jetzt auch seinen großen Auftritt. Das gab es zum Nachtisch und der Verzehrprozess wurde fotografisch festgehalten.

Es ist so ein großer Unterschied, wie freundlich die Kellner hier sind im Vergleich zu anderen Ländern. Dafür ist das Trinkgeld natürlich auch extrem: 20 Prozent sind normal. Das Trinkgeld ist die Haupteinnahmequelle für die Kellner.

Nach der Mittagspause fuhren wir die letzten Kilometer bis zum Ort Niagara-on-the-Lake auf der kanadischen Seite der Wasserfälle. Ich fand den abrupten Szenenwechsel total krass. Lange fuhren wir noch an schicken Einfamilienhäusern vorbei, mit großen Gärten und viel Platz.

Und auf einmal taucht dann in der Ferne eine richtige Skyline auf. Dort, wo die Hotel- und  Vergnügungsmeile beginnt.

Könnt ihr die hohen Häuser in der Ferne sehen?

Wir machten nur einen kurzen Zwischenstopp an unserem Hotel und liefen dann zu Fuß dem Trubel entgegen. Ich hatte wirklich absolut keine Ahnung gehabt, wie wild es rund um die Niagarafälle zugeht. Schaut euch das an.

Diese ganzen Vergnügungsgeschäfte liegen am Clifton Hill. Wenn man den komplett nach unten läuft, sieht man sie dann, die gigantischen Niagarafälle.

Mein erster Blick auf die Niagarafälle: links die amerikanische Hälfte, rechts die kanadische

Ursprünglich war der Plan gewesen, am nächsten Tag die klassische Bootsfahrt zu den Fällen zu machen. Da der nächste Morgen jedoch Regen versprach und wir noch genug Zeit hatten, stellten wir uns am Nachmittag in die Schlange. Und mussten gar nicht lange warten, bis wir, in Regenponchos gehüllt, auf dem Aussichtsdeck des Bootes standen.

Die kanadischen Touristen bekommen rote Ponchos und die amerikanischen auf der anderen Seite blaue. 

Die Fahrt führte uns zuerst näher an den amerikanischen Niagarafall heran. Da sahen wir auch Leute, die den Hang herunterkletterten und sich vom Wasserfall beregnen ließen.

Dann ging es weiter zum kanadischen Fall. Der hat noch mehr Power und von weitem sieht man erst einmal gar nicht, wie groß der ist. Der bildet einen richtigen Halbkreis. Und ich sage euch, das war eine nasse Angelegenheit. Das Boot versuchte, immer näher ranzukommen, aber die Wellen und Strudel sind gewaltig. Hier mal eine kleine Videoimpression.

Das war wirklich ein Spaß. Und wie die Leute alle geschrien haben, wenn wir wieder eine Wasserladung ins Gesicht bekommen haben. Jen und Sylvie haben die Bootstour beide schon häufiger gemacht, aber sie meinten, sie machen sie immer wieder gern.

Hier jetzt auch noch ein paar Fotos von der Bootstour.

Die kanadische Seite ist besser fürs Sightseeing, da muss ich Jen und Sylvie zustimmen. Von Kanada aus kann man nämlich beide Fälle schön von oben sehen. Von den USA aus muss man ans Ufer runterklettern und sich den Kopf verrenken.

Nachdem wir wieder Land unter den Füßen hatten, machten wir eine kurze Denkerpause um einen Plan für den Abend auszutüfteln. So sah das aus.

Wir erdachten den genialen Plan, erst einmal Abendessen zu gehen. Wir fanden ein nettes Plätzchen in einer lokalen Brauerei mit Livemusik. Für mich gab es Burger, für die anderen beiden Brezel und Hühnchenfilet und für uns alle eine Runde Pfirsichradler.

Nach dem Essen hatten wir noch eine Stunde Zeit totzuschlagen, bis wir um 22 Uhr das abendliche Feuerwerk über den Niagarafällen anschauen wollten. Wir entschieden uns deshalb dazu, durch die reichlich vorhandenen Souvenirgeschäfte zu stöbern. Aber nur zum Gucken und Fotos machen.

Im Dunkeln sah auch die Touristenmeile noch eine Nummer verrückter aus. Fast so wie Las Vegas.

Um kurz vor 10 versammelten wir uns mit 10.000 anderen Menschen vor den Niagarafällen und warteten auf das Feuerwerk. Jeden Abend gibt es eines und jedes kostet 25.000 Dollar. Was für ein Wahnsinn.

So schnell spart man ein Vermögen, denn an diesem Abend musste das Feuerwerk schlussendlich wegen blöd gehendem Windes ausfallen, wie eine Ordnerin der wartenden Menge mitteilte, nachdem wir schon eine ganze Weile gewartet hatten.

Naja, nicht schlimm. Einen Blick auf die erleuchteten Fälle bei Nacht konnten wir trotzdem erhaschen.

Es war Zeit, nach einem sehr langen Tag ins Hotel zurückzukehren. Dort schnell rein in die Schlafanzüge und dann machten wir es uns auf dem Bett gemütlich und der Spieleabend konnte beginnen. Wir spielten das große Friends-Wissensquiz – also Friends, die Fernsehserie.

Unerhörterweise wurde ich letzte. Und ich hatte gedacht, ich sei Expertin. Einen letzten, typisch kanadischen Snack musste ich auch noch probieren: Ketchup Chips. Die waren sehr bekömmlich.

Der nächste Morgen begann mit einem Detektivspiel. Oder ne, zuerst einmal schafften wir es um kurz vor 10 Uhr gerade noch so zum Bagelfrühstück in die Hotellobby und wurden dabei Zeuginnen einer lautstarken Auseinandersetzung mit einem unzufriedenen Gast und dem Rezeptionsteam. Die angedrohte Polizei musste im Endeffekt aber doch nicht anrollen.

So, nun zum Detektivspiel. Ich hatte in der Hotellobby einen Flyer für ein Museum gesehen, in dem die Geschichte der Menschen gezeigt wird, die in einem Fass die Niagarafälle heruntergestürzt sind. Das fand ich spannend. 

Unsere Internetrecherche zu dem Museum ließ uns ratlos zurück, wo genau das Ding zu finden ist und ob es überhaupt noch existiert. Der Hotelmanager war wenig hilfreich, also setzten wir Sylvie an der Touristinfo aus. Die sollte da mal nachhorchen, während wir die Zeit nutzten, um zu Tim Hortons zu fahren. Das ist sozusagen das kanadische Starbucks. 

An der Filiale steckten wir eine Ewigkeit im Drive-through fest. Schließlich bekamen wir aber die Kaffees und – viel wichtiger – unsere Timbits. Das sind kleine Donutbällchen. Die sind einfach köstlich, habe ich ganz schnell begriffen.

Nach unserer kleinen Nebenmission sammelten wir Sylvie wieder ein, die von der ersten Touristinfo zu einer zweiten geschickt worden, in Sachen Museumstandort aber nicht wesentlich schlauer geworden war.

Die schwache Spur führte zu einem Kino, in dem ein Kurzfilm zu der Geschichte der Niagarafälle gezeigt wird. Die Frau an der Kasse war endlich kompetent: Das Gebäude, in dem das Museum untergebracht war, wurde abgerissen. Das neue Gebäude ist noch nicht fertig gebaut und so lange gibt es kein Museum. 

Wo wir schon einmal da waren, entschieden wir uns aber, den Kurzfilm anzuschauen. Die 20 Minuten bis zum Beginn vertrieben wir uns mit einer kleinen Ketchupchips- und Timbitssession im Auto.

Und ich trainierte meine detektivischen Fähigkeiten noch ein wenig weiter. Wir sahen nämlich einen verdächtigen Minivan in einiger Entfernung. In dem saß ein Mann auf dem Fahrersitz. Die Figur auf dem Beifahrersitz sah aber sehr suspekt aus. Eine Schaufensterpuppe? Oder hatte der Mann seine Frau abgemurkst und wollte sie nun verschwinden lassen? Das musste ich mir ganz unauffällig aus der Nähe anschauen.

Und selbst aus ein paar Metern Entfernung konnte ich kein klares Urteil fällen, was oder wer da genau im Auto saß. Irgendwann schloss das unbekannte Wesen langsam den Mund und der Fall war gelöst.

Der Film war sehr interessant. Er zeigte unter anderem die Geschichte der pensionierten Lehrerin Annie, die an ihrem 63. Geburtstag im Jahr 1901 als erster Mensch in einem Fass die Niagarafälle herunterstürzte und überlebte. Zu Testzwecken hatte sie zuvor ihre Katze vorgeschickt.

Und 1960 überlebte der siebenjährige Roger sogar einen Fall ganz ohne Fass.

Nun war es Zeit, uns von Niagara-on-the-Lake zu verabschieden und uns auf den Rückweg nach Barrie zu machen. Nicht ohne Zwischenstopps.

Zuerst hielten wir an einer Ahornsirupfarm. Für seinen „Maple Syrup“ ist Kanada ja berühmt. Der freundliche Mitarbeiter zeigte uns sogar die Maschinen, mit denen der Sirup hergestellt wird. Und wir bekamen eine kleine Verkostung der verschiedenen Sirupsorten. Ich mochte komischerweise den ganz milden und den ganz starken am liebsten.

Als nächstes stand eine kleine Wanderung zu einem Wasserfall an, den sogenannten Ball’s Falls. Der hatte natürlich nicht die Ausmaße der Niagarafälle, dafür erhofften wir uns etwas mehr Idylle.

Zuerst führte die Wanderung eine Weile durch einen Wald.

Dann erreichten wir das historische Dorf von Ball’s Falls. Es standen auch noch einige Gebäude, wie die Kirche, Wohnhäuser und Werkstätten. Und ich war sehr beeindruckt davon, wie gut gepflegt die riesige Rasenfläche war. Überhaupt gibt es überall in Kanada so viel Rasen und immer ist er makellos gepflegt und ganz saftig.

Nur den namensgebenden Wasserfall konnten wir erst einmal nicht finden. Irgendwann konnten wir ihn zwar durch die Bäume erahnen, einen schönen Blick fanden wir aber nicht. Also zurück und einen neuen Weg probieren. Schließlich waren wir erfolgreich. Ich präsentiere: Ball’s Falls.

An dem Aussichtspunkt stand eine Bank für Riesen. Dort kletterten wir rauf, ruhten ein wenig aus und aßen unsere letzten Ahornsirupbonbons.

Nun ging es auf dem schnellsten Weg zurück nach Barrie. Allerdings mussten wir uns den Highway mit einer Karawane anderer Autos teilen, die wahrscheinlich gerade in den Feierabend ritten. Die Highways in Kanada sind genauso enorm wie in den USA, das waren rund um Toronto fast 20 Spuren. Was ist der deutsche Rekord? Vielleicht 10?

Zum Abendessen kehrten wir diesmal in einem Chicken-Wing-Restaurant ein (Hühnchenflügel). Ich hatte eine Riesenportion Wings mit Honig-Knoblauch-Marinade und Gorgonzolasoße. Da habe ich mich endlich mal so richtig satt gegessen, Marie. Kanada ist essenstechnisch auch ganz nach meinem Geschmack.

Ja und dann waren zwei wundervolle Tage schon wieder um. Wir setzten Sylvie bei ihr zu Hause ab und ich musste Tschüss sagen. Im Anschluss fuhren wir zu Jen, wo ich noch einmal eine Nacht schlafen konnte.

Es war schon recht spät und Jen musste am nächsten Tag arbeiten. Sie wusch aber netterweise noch meine Wäsche und dann ging es auch schon ins Bett.

Am nächsten Morgen klingelte um kurz vor 7 Uhr der Wecker. Noch schnell ein Nutellabrot zum Frühstück und dann fuhren wir nach Bradford, wo Jen arbeitet. Es gibt dort auch einen Bahnhof, an dem Jen mich absetzte und wo ich mich auch von ihr verabschieden musste.

Ich hätte mir wirklich keine herzlicheren Gastgeberinnen wünschen können. Toll wars.

Von nun an musste ich Kanada auf eigene Faust erkunden. Zuerst einmal erkundete ich den Bahnsteig von Bradford, wo ich noch eine halbe Stunde auf den Zug wartete.

Zum Glück war das gröbste an Pendlerverkehr schon durch und ich hatte freie Platzwahl in der Bahn. Eineinhalb Stunden später stieg ich am Hauptbahnhof von Toronto wieder aus dem Waggon.

Ich musste noch eine dreiviertel Stunde bis zu meinem Hostel laufen, aber die Zeit verging wie im Fluge, weil ich einfach so beeindruckt von den ganzen Wolkenkratzern war. Und ich feierte es so, dass es überall Fußgängerwege und Fußgängerampeln gab und es nicht heiß war. 

Das war wie damals, als ich nach einem halben Jahr Südostasien in Perth angekommen war. Da hatte ich mich auch so über diese Ordnung in den Straßen gefreut.

Hier mal erste Eindrücke von meinem Weg zum Hostel.

Nach dem Check-in lief ich noch einmal los und besorgte mir wieder Timbits. Ich hielt das für ein angemessenes Mittagessen. Und einen kleinen Mittagsschlaf musste ich machen nach diesen aufregenden Tagen.

Ein Typ im Schlafsaal meinte, ohne Kopfhörer durch seine Instagramtimeline scrollen zu können. Das gab von mir gleich mal eine Ermahnung. Ich bin da inzwischen rigoros. 

Später um Mitternacht, als ich gerade vom Waschraum kam, zog noch eine dreiköpfige Gruppe in den Schlafsaal ein. Wenn nachts noch eine Gruppe ankommt, ist das immer Horror, weil die meistens keine Rücksicht auf bereits Schlafende nehmen. Wie diese drei Idioten, die gleich mal das Deckenlicht einschalteten. Das gab von mir wieder eine Ermahnung.

Morgens um 6 Uhr wachte ich auf, weil zwei der Typen in ihren Betten lagen und telefonierten. Zwei Ermahnungen.

Irgendwann schaffte ich es zum Glück, noch einmal einzuschlafen und so konnte ich am späten Vormittag frisch und erholt mein Sightseeing-in-Toronto-Projekt angehen.

Straße vor meinem Hostel im Stadtteil Kensington Market

Zum Frühstück kaufte ich mir in der Bäckerei gegenüber vom Hostel ein wunderbares Kirschplunderteilchen. Ein Plunderteilchen ist im Englischen übrigens ein Däne – also ein Danish. Im Dänischen (und im Norwegischen) wird Plunder wiederum Wienerbrød – Wiener Brot – genannt. Hihi.

Mit meinem Plunder machte ich es mir im Grange Park bequem, in dem viele Menschen das schöne Wetter genossen.

Kunstgalerie am Grange Park

Neben Zweibeinern sah ich viele dieser Genossen hier, die weder Scheu noch Scham besitzen.

Als nächstes machte ich mich auf den Weg in Richtung Torontos Wahrzeichen, das mit einer Höhe von rund 550 Metern von überall zu sehen ist. Der CN Tower ist das höchste Bauwerk der Stadt. Hier erst einmal Fotos von meinem Weg zum Turm.

Und hier jetzt der Turm aus der Nähe. Man kann auch hinauffahren, aber das war mir zu teuer.

Der Platz neben dem CN Tower

Neben dem Turm findet man das Zugmuseum, in dem ich auch nicht war. Aber vor dem Gebäude stehen ein paar coole alte Züge, die man kostenlos anschauen kann.

Vom Turm ist es nicht mehr weit bis zum Wasser. Toronto liegt am Lake Ontario. Das ist einer der Great Lakes, also der fünf Großen Seen zwischen den USA und Kanada.

Ein paar Inseln bilden vor Torontos Zentrum einen natürlichen Hafen. Ich bin eine ganze Weile am oder in der Nähe vom Wasser entlanggelaufen.

Mein Ziel war das historische Brauereiviertel, in dem die alten Industriegebäude restauriert wurden und in denen jetzt Restaurants, Cafés und kleine Läden untergebracht sind. Ganz schick sah das aus. Und ein kostenloses Konzert gab es auch. Da habe ich ein wenig gelauscht und Pause gemacht. Das war eine ganz entspannte Atmosphäre.

Jetzt machte ich mich langsam wieder auf den Rückweg. Unterwegs stoppte ich am Hauptbahnhof, um schon einmal auszukundschaften, wo sich die Bushaltestelle befindet, zu der ich am nächsten Tag musste. 

Außerdem machte ich einen Fotostopp an einem weiteren Wahrzeichen: dem Toronto-Schriftzug am Nathan-Phillips-Platz.

Ich kam auch noch am Eingang zum Queens Park mit dem schicken Parlamentsgebäude der Provinz Ontario vorbei.

Der letzte Abschnitt führte mich durch das Universitätsviertel. Einen Abstecher machte ich zu Taco Bell. Pseudomexikanisches Essen geht immer. Außerdem feierte ich Wiederschmecken mit einer alten Bekannten – der Chlorcola. Das Leitungswasser in Nordamerika schmeckt immer nach Chlor, und in den Fastfoodrestaurants schmecken deshalb auch alle Soft Drinks nach Chlor.

Zurück im Hostel widmete ich mich dem ersten Teil dieses neuen Romans hier und dann brach bereits meine letzte Nacht in Toronto an. 

Nachtrag: Meine Schwester hat mich heute fürchterlich gemaßregelt, dass die Vergnügungsmeile ja gar nicht in Niagara-on-the-Lake sondern in Niagara Falls sei. Womit sie natürlich recht hat, die kleine Klugscheißerin. Ich weiß auch nicht, was ich da falsch aufgeschnappt hatte. Und anscheinend habe ich auch nicht zugehört, als sie mir von der Vergnügungsparkhaftigkeit des Ortes erzählt hat. Ich entschuldige mich an dieser Stelle offiziell.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Martin Laugks

    Hi, interessant deine ersten Kanadaerlebnisse! Da ich auch zweimal da war verfolge ich dies mit besonderem Interesse! Viel Freude weiterhin und weniger „Störenfriede“ in den Hostels!
    LG Martin

    1. Anne

      Heute Nacht hatte ich wieder so einen furchtbaren Bettnachbarn. Der ist aber zum Glück nun ausgezogen 🙂

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