You are currently viewing Rekordpalmen, frische Früchtchen & Kokain

Rekordpalmen, frische Früchtchen & Kokain

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:Südamerika

Nach zehn wundervollen Tagen im wundervollen Minca war es Zeit, zu gehen. Ich war etwas traurig, aber die Tatsache, dass in meinen Schlafsaal inzwischen lauter neue Leute eingezogen waren, zu denen ich keinen Draht hatte, machte mir den Abschied einfacher. Die Neuen machten doch tatsächlich unser tolles Belüftungssystem zunichte und schlossen die Schlafsaaltür in der Nacht. Das kann nicht angehen.

Mit rund 20.000 Restpesos in der Tasche (~ 5 Euro) lief ich zum Abfahrplatz der Collectivos, bezahlte dort 10.000 Pesos für die Fahrt und war recht stolz auf meine Geldkalkulationskünste während des Minca-Aufenthalts.

Es war übrigens Karfreitag und meine leisen Befürchtungen, dass deshalb die Collectivos vielleicht nicht so rege fahren würden, blieben unbegründet. Gleich nach Ticketerwerb konnte ich mich in einen der Minibusse quetschen und damit begann eine sehr lange Reise.

Zuerst einmal ging es in einer Stunde zurück nach Santa Marta. Dort waren wegen des Feiertags tatsächlich viele Geschäfte geschlossen. 

Weiter mit dem Taxi zum Busbahnhof. Eine ziemlich große Anlage, ich war überrascht. Ich hatte noch zwei Stunden Zeit totzuschlagen, bevor es gegen 16 Uhr losging. Das Ziel: Medellín. Fahrzeit: Etwa 16 Stunden.

Ich war mir die ganze Zeit unsicher gewesen, ob ich es mir antun sollte, von Medellín sofort weiter nach Salento zu fahren. Noch einmal rund sechs Stunden Fahrzeit. Das war im Grunde praktischer, weil mein Flug nach Mexiko von Medellín abfliegen würde und es deshalb geschickter war, zuerst Salento zu besuchen und dann zum Abschluss Medellín.

Da der Bus recht pünktlich fuhr, entschied ich mich für die Salento-zuerst-Variante und buchte Bus und Hostel. Es sah ganz danach aus, als würde ich den Morgenbus locker erreichen können. Naja.

Zuerst einmal dauerte unser Stopp in der Küstenstadt Barranquilla am Abend ewig. Mitten in der Nacht hielt der Busfahrer dann und bat uns alle auszusteigen. Militärkontrolle. Wir sollten alle unser Gepäck identifizieren, das anschließend kontrolliert wurde. Ich konnte kaum mit ansehen, wie ineffektiv das Ganze ablief.

Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich zuerst alle Gepäckstücke aus dem Bus geholt und alle Passagiere neben ihrem Koffer aufstellen lassen. Dann hätten die Soldaten methodisch einen nach dem anderen absuchen können.

So lief es natürlich nicht ab. Alle standen in einem großen Knödel, manche Soldaten standen nur rum mit ihren Maschinengewehren, manche zogen ab und zu einen Koffer aus dem Bus und tasteten dann recht oberflächlich daran herum.

Aber alle waren sehr freundlich, das hat mich echt gewundert. Und ganz jung waren sie. Und ehrlich gesagt bin ich mir inzwischen auch gar nicht mehr sicher, ob das überhaupt offizielles Militär war.

Inzwischen hatten wir schon eine tolle Verspätung, die noch verschlimmert wurde, als wir gegen 6 Uhr morgens auch noch eine ausgedehnte Frühstückspause machten. 

Frühstückspause ohne Aussicht

Nun wurde es zeitlich eng für meinen Bus nach Salento. Der nächste würde erst am späten Nachmittag fahren. Ich ärgerte mich schon, das Hostel und den Bus bereits gebucht zu haben. War vielleicht zu vorschnell gewesen.

Als wir endlich am Busbahnhof Nord in Medellín ankamen, der natürlich riesig war, spurtete ich so schnell wie möglich zum Taxistand und weiter ging es zum Busbahnhof Süd. Der war auch riesig und ich hatte keine Ahnung, wo mein Bus abfahren sollte. 

Nach ein wenig Fragerei stand ich um 9:43 Uhr am Schalter des Busunternehmens. Um 9:45 Uhr war Abfahrt. Natürlich nur in der Theorie. In der Praxis waren alle ganz entspannt, als ich ankam und wir fuhren gemütlich gegen kurz nach 10 Uhr ab. Geschafft.

Nun noch einmal sechs Stunden in einem deutlich engeren und heißeren Bus. Zwischendurch gab es Mittagspause. Ganz ungewohnt, nachdem die Busse in Chile und Bolivien ja nichts von Pausenzeiten hielten.

Eine zweite, außerplanmäßige Pause gab es auch noch. Die war einer Panne geschuldet. Nicht unser Bus war betroffen sondern ein anderer Bus des Unternehmens. Als unser Fahrer das sah, hielt er pflichtbewusst an und leistete Erste Hilfe. Irgendwas war wohl mit der Batterie des anderen Busses gewesen. Genaueres weiß ich nicht. 

Ich fand es nur lustig, dass natürlich gleich mehrere männliche Fahrgäste um die beiden arbeitenden Busfahrer rumstanden, die zwar wahrscheinlich auch nichts Genaueres wussten, aber natürlich dennoch der Reparatur beiwohnen mussten.

Irgendwann am Samstagnachmittag kamen wir endlich in Salento an, 30 Stunden nach meiner Abfahrt aus Minca tags zuvor.

Salento ist eine Kleinstadt in den kolumbianischen Anden, liegt aber nur auf 1.900 Metern Höhe und ist bekannt für seine Kaffeefarmen und das Cocoratal. 

Mein Hostel konnte nach Minca natürlich nur ein Rückschlag sein. Zimmer und Bad waren ein wenig dumpig und dunkel. Das Gelände war hingegen sehr nett, auch wenn mir hier alles ein wenig zu spirituell zuging. Da lief immer so ein Schamane rum mit dem man meditieren und Yoga machen konnte. Und Medizinkurse bot er auch an.

Eine tägliche Veranstaltung im Hostel: "Naturmedizin-Zeremonie - magisches Erlebnis"

Unser Hostel lag am Rand von Salento. Nachdem ich meine Sachen abgestellt und geduscht hatte, lief ich zurück ins Zentrum, um nach zwei Tagen endlich wieder etwas Vernünftiges zu essen. Ich landete in einem Burgerrestaurant und aß einen absolut fantastischen Burger mit Pulled Pork und Krautsalat.

Straße vor meinem Hostel

Wieder zurück im Hostel lernte ich noch Astrid aus Dänemark kennen, die ich sofort gerne mochte. Und dann konnte ich nach sehr langen anderthalb Tagen endlich wieder in einem Bett schlafen.

Den nächsten Morgen ging ich ganz gemütlich an. Es regnete nämlich in Strömen. Willkommen in der kolumbianischen Regenzeit. Der Wetterbericht für die nächsten Tage sah auch nicht vielversprechend aus. 

Ich wartete jedenfalls, bis sich gegen Mittag eine Regenpause auftat. Dann machte ich mich an einen kleinen Stadtrundgang. Viele der Häuser in Salento sind ganz schön bunt angemalt, deswegen ist es eines der touristischen Highlights hier, durch die kleinen Straßen zu schlendern und sich die Malerkunst anzuschauen. Hier seht ihr ein paar Eindrücke meines Rundgangs.

Wie findet ihr es? Doch sehr farbenfroh, oder? Am Ende der kleinen Einkaufsstraße Calle Real führt eine steile Treppe zu einem Aussichtspunkt. Von diesem hat man einen sehr schönen Überblick über Salento. 

Folgt man dort einem kleinen Pfad nach links, kommt man zu einem zweiten Aussichtspunkt der wiederum einen Blick auf das grüne Tal neben der Stadt bietet.

An den Aussichtspunkten quetschten sich mehr Verkaufsstände als Touristen, das war das einzig Unidyllische an der Geschichte.

Zum Essen landete ich diesmal im Backpackertreffpunkt der Stadt, nämlich in einem Restaurant, das einem US-Amerikaner gehört. Jaja, mein Banausentum, was das Essen betrifft, geht munter weiter. Aber mein Burger war so lecker und er kam mit geschätzt einem Kilo Guacamole. Das ist ja eine Sache, zu der mich Südamerika bekehrt hat. 

Guacamoleburger und dazu leckere Kirschlimo

Während ich mit meinem Riesenburger kämpfte, ging draußen der nächste fette Regenguss los. Dieser wollte überhaupt nicht mehr aufhören, sodass ich meine Rückkehr ins Hostel irgendwann nicht mehr aufschieben konnte. 

Zum Glück hatte ich meinen chilenischen Regenponcho doch nicht in Minca zurückgelassen, wie ich es aus Platzgründen überlegt hatte. Stattdessen fand ich ihn wohlbehalten in meinem Rucksack vor und ließ ihn jetzt zum Einsatz kommen. 

Während der Regenzeit ist Salento wohl berüchtigt für seine nachmittäglichen Regengüsse. Ich stellte mir deshalb für den kommenden Tag den Wecker für 7 Uhr. Ich wollte eine Wanderung durch das Cocoratal unternehmen und hoffte, mit einem frühen Start dem schlimmsten Regen entfliehen zu können.

Als ich um kurz vor 8 Uhr am Plaza eintraf, hatte ich noch kurz Zeit, mir die Häuser mit geschlossenen Türen in der Calle Real anzuschauen.

Um 8 Uhr boardete ich einen der Willys auf dem Plaza. So werden die alten Jeeps genannt, die die Leute ins etwa 20 Minuten entfernte Cocoratal bringen. Es gibt Platz für sechs bis acht Leute im Innenraum – und drei Trittbrettfahrer. Zum Glück konnte ich einen Sitzplatz ergattern.

20 Minuten so durch die kolumbianischen Berge fahren - viele fanden's lustig, ich konnte gut drauf verzichten

Im Cocoratal kann man den Nationalbaum Kolumbiens bewundern. Und dabei handelt es sich um niemand geringeren als die Quindio-Wachspalme, die höchste Palmenart der Welt. Bis zu 50 und sogar 60 Meter können die Palmen in die Höhe wachsen. 

Die Bäume kann man von einem Aussichtspunkt im Cocoratal anschauen. Diesem nähert man sich nach der Ankunft mit dem Willy entweder auf direktem Wege oder im Rahmen einer Rundwanderung.

Da der Himmel um kurz vor 9 Uhr am Morgen noch dicht hielt, entschied ich mich für die Wanderung. Zuerst ging es runter ins Tal und über sehr viele klapprige Brücken mal links mal rechts am kleinen Fluss entlang, der durch das Tal fließt. Die ersten Palmenriesen sah ich auch in der Ferne.

Und ein paar fotogenen Vögeln begegnete ich. Ich kann euch aber nicht sagen, was das für Gestalten waren.

Der Weg verlief in der ersten Hälfte der Wanderung die längste Zeit flach. Nur zur Halbzeit ging es auf einmal sehr steil hinauf. Dieser Abschnitt war aber nach zehn Minuten bewältigt. Insgesamt war die Wanderung sehr leicht.

Oben angekommen, konnte man an einer Hütte Rast machen. Einen schönen kleinen Blumengarten gab es dort auch.

Dann ging es nur noch bergab und gegen Ende der Wanderung kam ich am großen Palmenaussichtspunkt an. Seht euch diese Ömmese an.

Bis zu dem Aussichtspunkt hatte ich eine idyllische, weitestgehend einsame Wanderung erlebt. Was für ein Unterschied zu dem Menschenauflauf, den ich nun erlebte. Rund um die Palmen gibt es überall Kulissen, die die Menschen für ihre Instagramfotos nutzen können. Es gibt sogar einen separaten Bereich, für den man extra Eintritt zahlen muss, um sich vor Heißluftballons, Rosenranken oder dergleichen fotografieren zu können. Und auf dem Weg zurück zu den Willys überall Restaurants.

Meine Wanderung inklusive Fotos hatte nur vier Stunden gedauert, sodass ich schon am frühen Nachmittag zurück in Salento war. Der Himmel hielt übrigens nach wie vor. Es gab nicht nur keinen Regen, sondern die Sonne strahlte sogar.

Ich landete wieder in dem Backpackerrestaurant und bekam diesmal eine Portion Nachos serviert, die kein normaler Mensch jemals komplett aufessen werden kann.

Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker abermals um 7 Uhr. Ich wollte zur Abwechslung mal wieder ein paar Thermalquellen besuchen. Also eigentlich wollte ich das gar nicht, nachdem ich nachgelesen hatte, dass man dafür drei Stunden mit verschiedenen Bussen durch die Gegend fahren muss.

Aber der Hostelmitarbeiter, den ich am Vorabend auch nochmal nach dem Weg gefragt hatte, malte mir so liebevoll einen Plan auf, dass ich mich nach all der Mühe fast verpflichtet fühlte, diese Abenteuerreise anzugehen. Und man will ja auch mal was erleben.

Teil 1 meiner Mission sah eine einstündige Busfahrt von Salento nach Pereira vor. Das klappte einwandfrei. Um kurz vor 8 Uhr war ich am Busbahnhof von Salento und um 8 Uhr fuhr der Bus ab.

Am Busbahnhof in Salento angekommen, fand ich fast sofort den Bus, der mich in einer weiteren knappen Stunde nach Santa Rosa brachte. Ich fand, der Name Santa Rosa klingt sehr schön. Die Stadt war aber nicht so doll. 

Kirche und Plaza von Santa Rosa

Ich stieg vor dem Hotel Rosado aus, so wie es mir der Hostelmitarbeiter aufgemalt hatte. Von dort waren es nur ein paar Minuten bis zum Plaza. Dort wartete ich erst einmal. Der Mitarbeiter hatte zu mir gemeint, dass ich mir vom Plaza ein Taxi zu den Quellen nehmen könne. Ich wusste aber aus vorheriger Internetrecherche, dass es wohl auch Busse dorthin geben soll.

Nach zehn Minuten Warterei fuhr statt einem Bus ein Willy vor. Ein aufmerksamer Einheimischer deutete netterweise auf den Willy und teilte mir mit, dieser würde zu den „Termales“ fahren. Perfekt. Es lief alles wirklich wie am Schnürchen.

Ich nahm neben dem Willyfahrer Platz und 20 Minuten später stand ich am Eingang zu den Thermalquellen außerhalb von Santa Rosa. 

Anfahrt durch grüne Berglandschaft

Die Anlage war richtig schön. Grün und gepflegt, mit einem Bach und Blumen. Das Highlight ist aber der große Wasserfall, der sich in mehrere Arme aufspaltet.

Die Thermalbecken selbst machten auf mich hingegen erst einmal keinen so schicken Eindruck. Das lag daran, dass der Boden der Becken braun gestrichen ist, was das Wasser eben auch braun aussehen lässt.

Es gibt insgesamt vier Becken. Das Wasser hatte vielleicht so 38 Grad, würde ich schätzen. Also schön warm. Ich fand in einem der Becken eine ruhige Ecke. Ziemlich gleich nachdem ich mich ins Becken gesetzt hatte, ging der Regen los. Wieder ein richtiger Platzregen. Das war perfekt, im heißen Wasser zu sitzen und von oben kühlt der Regen. 

Nach zwei Stunden war ich durchweicht genug und ich machte mich auf den Rückweg. Als ich am Eingang ankam, fuhr gerade auch ein Willy vor. Das lief also schon einmal reibungslos. 

Zurück in den Straßen von Santa Marta hupte der Fahrer einen vor uns fahrenden Bus an. Der hielt daraufhin an, ließ eine andere Passagierin und mich einsteigen und fuhr uns zurück nach Pereira.

Am Busbahnhof kaufte ich mir am Schalter mein Rückticket nach Salento und fünf Minuten später fuhr der Bus ab. Also das war mir fast ein wenig unheimlich, wie gut meine vier Bus – und zwei Willyfahrten an diesem Tag geklappt haben.

Mein Salentoaufenthalt war nun schon wieder beendet. Am nächsten Morgen nahm ich den 9-Uhr-30-Bus nach Medellín. Unterwegs hielten wir wieder an der selben Raststätte wie auf dem Hinweg und ich kaufte mir ein paar Käsestangen. Die findet man in Kolumbien überall, aber ich weiß nicht, wie die heißen. Der Teig erinnert mich jedenfalls etwas an Berlinerteig, der wiederum mit Filoteig umwickelt ist. Und das Ganze ist mit Käse gefüllt.

Der Taxifahrer, der mich vom Busbahnhof in Medellín zu meinem Hostel brachte, versuchte die ganze Zeit, mir was von seinem deutschen Kumpel zu erzählen und zeigte mir irgendwelche Dokumente und ein Foto. Ich verstand so gut wie nichts. Aber wenigstens nannte er mir einen fairen Preis.

Mein Hostel in Medellín war ein Riesenkasten

Ich lief nach der Ankunft in meinem Hostel noch einmal los, um in der einsetzenden Dämmerung noch schnell etwas zu essen und/oder einen Supermarkt zu finden. Ich fühlte mich dabei recht sicher.

Mein irischer Mitbewohner meinte später hingegen zu mir, er habe hier kein so gutes Gefühl. Aber keine Angst, Leute. Ich nehme es vorweg, mir ist in den kommenden Tagen nichts Schlimmes in Medellín widerfahren. Außer, dass die Wäscherei eines meiner Sockenpaare verloren hat.

Um gleich produktiv in Medellín zu starten, buchte ich am Abend noch eine Walking Tour für den nächsten Tag, bevor ich mich bettete.

Die Tour begann glücklicherweise erst um 14 Uhr, sodass ich ausschlafen konnte. Medellín hat die einzige U-Bahn von Kolumbien, mit der wollte ich eigentlich zum Treffpunkt fahren. Da der Preis für ein Uber aber verlockend günstig war, ließ ich mich doch lieber chauffieren.

Der Park San Antonio, in dem ich auf den Beginn der Tour wartete, wirkte ziemlich leer und trostlos.

Mit den „Botero-Vögeln“ steht dort aber auch ein wichtiges Stück Geschichte, erzählte uns unser Guide Daniel, der uns eine Einführung in die dunkle Vergangenheit von Medellín gab.

Im Juni 1995 explodierten im Park San Antonio mehrere Kilo Dynamit, als dort gerade ein Festival stattfand. 23 Menschen starben. Bei dem Anschlag wurde auch die Skulptur eines Vogels des berühmten kolumbianischen Künstlers Fernando Botero zerstört, die dieser der Stadt als ein Zeichen des Friedens und der Hoffnung gestiftet hatte.

Der Bürgermeister von Medellín wollte die zerfetzte Skulptur verschwinden lassen, dagegen wehrte sich Botero aber. Er wollte nicht, dass die Geschichte der Stadt wieder einmal unter den Teppich gekehrt wird. Er erreichte, dass die Skulptur als Mahnmal stehen blieb und übergab der Stadt einen zweiten Vogel, der als Zeichen der Hoffnung neben den ersten gestellt wurde.

Links der zerfetzte Vogel, rechts der Nachfolger

Ich gebe euch mal noch einen ganz kurzen, generellen Überblick. Medellín galt einst als gefährlichste Stadt der Welt in einem Land, das von einem jahrzehntelangen, bewaffneten Konflikt zwischen Staat, Paramilitärs und Guerillatruppen zerrieben wurde. Und mit allem verquickt die Drogenbarone und ihre schmutzigen Milliardengeschäfte.

In den 80er Jahren löste das Kokaingeschäft das Marihuanageschäft ab. Mit Sportflugzeugen wurden schnell Tonnen davon in die USA geschafft.

In den 80er Jahren entstand auch das mächtige Medellín-Kartell mit Pablo Escobar an der Spitze. Seinen Namen sprechen die Tourguides in Medellín auch 30 Jahre nach dessen Tod nicht offen aus. 
Escobar ließ alle von seinen Auftragskillern ermorden, die ihm nicht passten: Polizisten, Richter, Politiker. Häufig waren Zivilisten die Opfer in seinem Krieg gegen den Staat. 

Im Jahr 1991 wurden in Medellín im Schnitt jeden Tag rund 17 Menschen ermordet. 

Als Escobar 1993 bei einer Razzia von Soldaten einer kolumbianischen Spezialeinheit erschossen wurde, löste sich das Medellín-Kartell auf und das verfeindete Cali-Kartell konnte zunächst den Großteil des Drogengeschäfts in die USA an sich reißen. Heutzutage kümmern sich die mexikanischen Kartelle um den Kokainvertrieb. Die Kolumbianer beschränken sich auf die Herstellung.

Medellín hat nach dem Untergang des Kartells die Kurve gekriegt. Einstige No-Go-Areas sind heute Vorzeigekommunen. Internationale Touristen sind längst in die Stadt zurückgekehrt und 2022 lag die Mordrate bei durchschnittlich einem Fall pro Tag.

Unser Guide Daniel erzählte uns unter anderem, wie Escobar die Einwohner von Medellín spaltete. Von vielen wurde er gehasst, von manchen als Unterstützer der Armen hingegen bewundert. 

Ich habe von der Tour kaum Fotos gemacht, da wir keine klassischen Sehenswürdigkeiten anschauten. 

Eine ganz unhistorische Sache machten wir noch: Daniel stellte uns eine typische, kolumbianische Süßigkeit vor. Ihr kennt alle Gebrannte Mandeln, ja? Das hier war genauso, nur mit Kokosnüssen. Es war soo lecker. Ich wollte mir davon eigentlich nach der Tour zehn Kilo kaufen, fand aber keinen Verkaufsstand mehr.

Mit dem Ende der Führung setzte strömender Regen ein und ich bestellte mir aus Bequemlichkeit wieder ein Uber. Die Fahrt durch die abendliche Rush Hour zurück in meinen Stadtteil El Poblado dauerte eine Ewigkeit. Zum Glück war mein Fahrer aber ein Einhorn: Er sprach Englisch. Und so konnten wir uns durch den stockenden Verkehr quatschen.

Nicht so gesprächig aber wortlos nett war mein Fahrer am nächsten Morgen, der mich zu Kolumbiens großem Lebensmittelmarkt in der Halle am Plaza Minorista brachte. Dort wollte ich eine ganz besondere Tour machen: eine Exotische-Früchte-Verkostungstour. Als ich sah, dass es so etwas in Medellín gibt, war ich total begeistert. Ich liebe exotische Früchte.

Ich war blöderweise eine halbe Stunde zu früh an der Halle und die Nachbarschaft war nicht sehr vertrauenserweckend. Ich lungerte ein wenig auf einer großen Fußgängerbrücke herum, von der aus ich wenigstens eine gute Übersicht hatte.

Gegen 9:30 Uhr begann unsere Gruppe, sich zusammenzufinden. Wir waren nur fünf Leute, was sehr angenehm war. Mit einer großen Gruppe durch die engen Gänge des Marktes zu trampeln, wäre nicht erstrebenswert gewesen. 

Unsere Fruchtexpertin hieß Diana. Mit ihr probierten wir uns in den nächsten Stunden durch elf verschiedene, für Kolumbien typische Früchte. Dazu drückte sie uns zu Beginn jedem einen großen Löffel in die Hand, mit dem wir dann durch die Marktgassen liefen.

Es waren einige Früchte dabei, die so lecker waren, dass es eine Tragödie ist, dass es die in Deutschland nicht gibt. Auf eine der Früchte kann ich hingegen für immer verzichten. 

Ich habe euch hier mal eine Bildergalerie zu allen Früchten mit ein paar Infos zusammengestellt.

Das Ende der Tour zelebrierten wir mit einer Runde Fruchtsaft. Zwei der anderen wählten unverständlicherweise Chontadurosaft. Ich suchte mir Maracuja aus.

Diese Fruchtführung war für mich eines der Highlights meines Kolumbienaufenthalts. Und ich fand es einmal mehr faszinierend, was es jenseits von Ananas und Mango für einen Reichtum an exotischen Früchten gibt.

Ich war nur ein wenig froh, die überbevölkerte Markthalle verlassen zu können und die zwielichtige Gegend, in der die Markthalle steht. Ich entschied mich für einen drastischen Szenenwechsel und fuhr mit dem Taxi im Anschluss noch in eine schicke Mall. Ich brauchte ein paar Kosmetikartikel, unter anderem mal wieder das in Südamerika so schwer zu bekommende Duschgel. Diesmal wurde ich zum Glück aber fündig.

Ok, es fehlt jetzt noch ein Tag in Medellín und meine ersten Tage in Mexiko. Ich bin übrigens gut angekommen. Aber da der Eintrag mal wieder so lang geworden ist, hebe ich mir das fürs nächste Mal auf. 

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Opa Hans

    Hallo Anne, sollte sich bei Dir vielleicht der Eindruck eingeschlichen haben, mein Interesse an Deinen Reiseberichten hat nachgelassen ist dem nicht so. Nach wie vor bin ich auf dem laufenden und immer wieder beeindruckt von Deinen Erlebnissen. Aber z.Zt. werde ich voll in das Verschönerungs- und Renovierungsprogramm Deiner Tante Sieglind hier am Salzgraben einbezogen und verrichte für einen alten Rentner ungewöhnlich viele handwerkliche Arbeiten.
    Deinen Start zu Deiner großen Weltreise ging vom Salzgraben aus und wenn Du es einrichten kannst, lasse sie hier Enden.
    Es hat sich auch hier einiges verändert.
    Aber noch bist Du ja JWD und erlebst exotische Länder, Leute und sogar „Früchtchen“. Bin beeindruckt.
    Wünsche Dir weiterhin das Glück und die hilfreichen Leute um Dich herum und wie immer – pass schön auf Dich auf.

    1. Anne

      Huhu Opa, das weiß ich doch, dass du alles mitverfolgst 🙂 Kümmere du dich ruhig um deine Renoviererei und lass dich von der Tante nicht drangsalieren 😀 Ich freue mich schon, mir alles angucken zu kommen.

  2. Julian

    Die Vögel sind laut Google Bildersuche Grünhäher. Ich muss sagen, dass ich mehr als beeindruckt war, als ich gerade gelesen habe, dass es in Kolumbien knapp 2000 Vogelarten gibt – bei uns in Deutschland sind es gerade mal rund 300.

    1. Anne

      Wie soll man die nur alle unterscheiden

Schreibe einen Kommentar