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Wie ich die Entdeckung Kolumbiens vermasselte

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  • Beitrags-Kategorie:Südamerika

Ich glaube, selten ging die Schere zwischen eurem Lesevergnügen und meinem persönlichen Vergnügen weiter auseinander als in diesem Bericht. Mit anderen Worten: Während ich die vergangenen zehn Tage mit zu den schönsten meiner Reise zählen würde, wird sich die Berichterstattung über diese Zeit als tendenziell langweilig erweisen. Seht selbst.

Mit drei Nächten war Santa Marta für mich nur ein Kurzaufenthalt, weil ich zuvor gelesen hatte, dass die Stadt nicht so toll sein soll. Inzwischen habe ich zwar Menschen getroffen, die Santa Marta doch toll finden, ich zähle mich aber selbst nicht dazu und war deshalb nicht traurig, als ich gepäckbepackt vergangenen Dienstagmittag zum Markt von Santa Marta lief.

Dort fahren die Collectivos (Minibusse) nach Minca. Ich fand die Haltestelle einigermaßen schnell und musste auch nur zehn Minuten warten, bis es losging. Anfangs war das Collectivo recht leer, was mich wunderte. Die fahren eigentlich erst los, wenn sie (fast) voll sind. Aber nach 20 Minuten hielten wir noch einmal und eine ganze Horde deutscher Backpacker stieg zu. Ab da wurde es ungemütlich, weil der Sauerstoff im Bus nicht für 15 Menschen ausreichte.

Zum Glück war die Fahrt nicht allzu lang. Etwa eine Stunde. Von Santa Marta fuhren wir in Richtung Süden, weg vom Meer und rein in den Dschungel Kolumbiens. Mein Ziel Minca ist eines dieser winzigen aber sehr touristischen Bergdörfer, wie ich sie mit Toro Toro und Samaipata zum Beispiel auch in Bolivien erlebt hatte.

Und genauso wie in Toro Toro und Samaipata fühlte ich mich umgehend so wohl, dass ich nach fünf Minuten im Hostel wusste, dass ich hier verlängern würde.

Vor dem Einchecken musste ich aber erst einmal das Hostel erreichen. Das war zum Glück im Rahmen eines Fußmarsches möglich. Viele Unterkünfte liegen so weit außerhalb von Minca in unwegsamem Gelände, sodass sie nur mit Jeep oder Motorrad erreichbar sind. 

Weil ich mich an schaurige Fahrten mit großem Rucksack und kleinem Rucksack auf dem Motorrad in Südostasien sehr gut erinnern kann, wählte ich ein Hostel, wo das nicht nötig war. Und ich muss mir stolz auf die Schulter klopfen und sagen, dass ich die perfekte Herberge gefunden habe: weit genug vom Dorf entfernt, dass alles herrlich ruhig ist, nah genug dran, um die Siedlung in knapp zehn Minuten zu erreichen.

Immer wenn ich schon so viel am Beginn eines Blogeintrags geschrieben habe, ohne euch ein einzigen Foto präsentiert zu haben, werde ich unruhig. Das zeugt ja nicht gerade von Leserfreundlichkeit. Deshalb hier nun euer erstes Foto. Es zeigt die „Telefonrezeption“ des Hostels am Straßenrand, die in einer kleinen Hütte untergebracht war. 

Man musste am Telefon kurbeln wie zu einer Zeit, die nicht einmal ich aktiv miterlebt habe. Und dann wurde man zur eigentlichen Rezeption durchgestellt, die fünfzehn Minuten einen steilen Berg hinauf liegt.

Am oberen rechten Rand neben dem Telefonhörer ist die Kurbel

Mein Hostel besteht aus drei Häusern. Zum Glück war meines das, das nicht oben auf dem Berg steht sondern auf der anderen Straßenseite. Eine Mitarbeiterin holte mich vom Telefonhäuschen ab, zeigte mir das Hostel. Das ist genau die Art von Unterkunft, die ich liebe: klein und naturnah.

Unser Haus hat neben einem Schlafsaal mit sechs Betten noch zwei Privatzimmer, das ist alles. Wir haben eine supergut ausgestattete Küche und eine Terrasse mit Hängematte und Aussicht auf den Fluss, in dem wir uns abkühlen können. 

Es war zwar auch in Minca heiß, aber doch aufgrund der vielen Bäume und des Flusses kühler als in Santa Marta. Meine Restaurantsuche nach dem Check-in war dennoch schweißtreibend. Und ich war so durstig, dass ich mir gleich zwei große Limos bestellen musste, wie das heutige Titelbild zeigt. 

Hier noch eine etwas andere Perspektive der selben Szenerie. Die soll euch verdeutlichen, warum Minca mich stark an Südostasien erinnert. Wenn die spanischen Schilder nicht wären, könnte ich denken, ich wäre in einem indonesischen Dorf. Das muss daran liegen, dass das Klima sehr ähnlich ist.

Mein Mittagessen war für Freunde der Kulinarik nicht von Interesse. Aber das wisst ihr ja, dass ihr in diesem Bereich von mir nicht viel erwarten könnt. Ich bestellte Spaghetti Carbonara. Zu meiner Verteidigung sei aber erwähnt, dass ich wenigstens in einem italienischen Lokal war.

Am nächsten Tag unternahm ich zwei Klitzekleinigkeiten. Zuerst einmal machte ich mich die viertel Stunde den Berg hinauf zum dritten Gebäude meines Hostels, um mir von dort die Aussicht anzusehen. 

Das war zwar nicht anstrengend, ich wollte trotzdem nicht tauschen. Die da oben haben vielleicht eine bessere Aussicht, aber da überlegt man es sich schon zweimal, ob man jetzt noch runter ins Dorf muss, um Bananen zu kaufen. Viele lassen sich einfach von Mototaxis den Berg hochfahren.

Am Berghaus angekommen, erlebte ich meinen ersten und bislang einzigen Regenschauer in Minca. Ich traf aber zufällig auf den Schweizer Besitzer der Unterkunft, der mir zusicherte, dass ich den Regen gerne auf der überdachten Terrasse des Berghauses aussitzen könne. 

Das dauerte ungefähr eine halbe Stunde und dann kletterte ich die letzten Meter zum privaten Aussichtspunkt der Unterkunft aus. Leider war es an diesem Nachmittag etwas neblig.

Als Zweites erkundete ich an diesem Tag den Fluss, der unter unserem Haus verläuft. In dem kann man nicht schwimmen, aber ein wenig planschen und erfrischen. Eine Schaukel gibt es auch.

Kaum zu erkennen, aber die Schaukel hängt rechterseits hinter dem großen Felsen über der Flussmitte

Etwas weiter vom Hostel entfernte ich mich tags darauf. Ich lief eine halbe Stunde an der Straße entlang, bis ich zu einem kleinen Häuschen kam, an dem ich 6.000 Pesos (etwa 1,50 Euro) bezahlen musste. Dann bog ich in eine kleinere Straße ein und stand eine viertel Stunde später am selben Fluss, der auch an unserem Haus vorbeifließt. An dieser Stelle ist er aber breiter und bildet ein paar Becken, in denen man schwimmen kann.

Das erste „Becken“ war nicht besonders tief und an dessen Rändern gab es provisorische Restaurants. Das war mir zu viel Trubel. Ich kletterte zum nächsten Becken, das ich anfangs für mich alleine hatte.

Doch nach einer halben Stunde bekam ich allmählich etwas zu viel Gesellschaft. Also kletterte ich abermals. Im Internet hatte ich gelesen, dass es weiter oben ein drittes Becken gebe. Das erreichte ich im Endeffekt nicht, weil mir das irgendwann zu anstrengend wurde. Klettern, Schuhe aus und durch Fluss waten, Schuhe wieder an, klettern… So wichtig war es mir nicht.

Nach diesem Ausflug stellte ich alle touristischen Aktivitäten ein. Diese Entscheidung möchte ich natürlich nicht unbegründet lassen.

Grund 1: Ich hatte mich zwar in der Zeit zuvor nicht gerade mit Aktivitäten übernommen. Trotzdem reise ich schon seit 14 Monaten (krass) und der Wunsch nach etwas Beständigkeit und Erholung ist aktuell deutlich stärker als vor einem Jahr.

Grund 2: Ich hatte es im letzten Bericht schon angedeutet. Ich habe damit begonnen, mich mit meiner Rückkehr nach Deutschland zu beschäftigen. Das bedeutet Lebenslauf schreiben, Stellen suchen, Bewerbungstipps lesen. Und mit einer meiner Mitbewohnerinnen, Sabrina aus Kanada, habe ich ein Bewerbungsfoto-Shooting hinterm Hostel gemacht: Anne vor kolumbianischer Dschungelkulisse. Vielleicht nicht gerade klassisch, aber ich finde die Fotos durchaus gelungen.

Ach und natürlich Grund 3. Den hatte ich am Anfang gar nicht so auf dem Schirm. Aber die Sache ist die: In Minca gibt es keinen Geldautomaten. Ich hatte zum Glück recht viel Bargeld dabei. Aber ich hatte geplant, vier Tage in Minca zu bleiben. Und ich verlängerte meinen Aufenthalt nicht einmal, sondern zweimal um jeweils drei Tage. Mit meinem Geld musste ich nun also zehn Tage über die Runden kommen. 

Ich habe kalkuliert, dass mir mein Geld zum Essenkaufen reicht und für das Rückfahrticket nach Santa Marta. Für Ausflüge bleibt nichts übrig. Aber wie ihr merkt, bin ich da sowieso nicht traurig drüber.

Die vergangenen Tage habe ich eine richtige Routine entwickelt. Sehr ungewöhnlich. Nach Aufstehen und Frühstück erst einmal Norwegisch lernen. (Jaja, ich sollte mich lieber mal mit Spanisch befassen.) Dann ein wenig am Computer arbeiten.

Am frühen Nachmittag laufe ich immer ins Dorf, um mir frisches Schokoladenbrot zum Lunch zu kaufen und um meine Tageseinkäufe im Tante-Emma-Laden zu erledigen. Hier ist es jeden Tag spannend, welche Ware sie reinbekommen haben. Ich freute mich zum Beispiel sehr, als es eines Tages geriebenen Käse gab. Auf die Champignonlieferung warte ich hingegen schon seit drei Tagen.

Nachmittags gehe ich dann gerne zum Fluss oder liege in der Hängematte. Die anderen Leute im Haus sind alle sehr nett und man findet immer einen Gesprächspartner.

Und tierischen Besuch haben wir. Mücken suchen uns regelmäßig heim. Ich bin so zerstochen wie schon lange nicht mehr. 

Jeden Nachmittag schaut ein Kolibri bei uns vorbei. Und kurz vor der Dämmerung tauchen die Agutis vor unserer Terrasse auf. Als wir die zum ersten Mal sahen, mussten wir erst einmal googlen, weil noch niemand von uns die Tiere jemals zuvor gesehen hatte. 

Abends koche ich, weil ich mir Restaurant nicht mehr leisten kann. Dann noch eine Runde am Computer, bevor es ins Bett geht. Ich bin hier mit der Schlafsaalbelüftung übrigens überaus glücklich. Zuerst einmal hat jedes Bett seinen eigenen kleinen Ventilator. Außerdem lassen wir immer die Zimmertür zum Wohnbereich offenstehen. Und das beste: Wir lassen auch die Tür zwischen Wohnbereich und Terrasse offen, sodass wir die ganze Nacht mit frischester Luft versorgt werden. Fantastisch.

Morgen ist mein letzter voller Tag in meinem kleinen Paradies. Übermorgen muss ich mir in den Popo treten und endlich mal weiter reisen. Weil ich nun so lange in Minca verbracht habe, musste ich einige andere Orte in Kolumbien von meiner Liste streichen. So werde ich zum Beispiel an der Hauptstadt Bogotá vorbeifahren. 

Geplant sind noch Salento und Medellín. Und dann geht es auch schon nach Mexiko. Verrückt. 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Mama

    Pause muss auch mal sein. Der Fluss sieht absolut idyllisch aus.
    Wenn ihr nachts alle Türen offen lasst, kommt da kein Getier rein? Ich denke bei Kolumbien immer an den Film „Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“. Da gab es nur Regenwald und wilde Tiere.

    1. Anne

      Ne, das ging eigentlich. Also Mücken hatten wir. Aber die hätten ihren Weg so oder so reingefunden. Den Film habe ich nicht gesehen und ansonsten auch noch keine wilden Tiere leider 🙂

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